Fallschirme
VOM HINTERHOF ZUR WELTSPITZE
– Schirmtechnik im Fallschirmsport –
Mit der Gründung der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) im Jahre 1952 hatte sich die DDR eine Organisation geschaffen, die sich auch den Aufbau des Fallschirmsports zum Ziel setzte. Die Begeisterung für die neue Sportart war groß und so entstanden in kurzer Zeit viele Sektionen. Jedoch zum Fallschirmspringen gehörten Unterrichtsmaterialien, Ausbildungsgeräte, Flugplätze, Fallschirme und nicht zuletzt natürlich Absetzflugzeuge. Sie fehlten anfangs ebenso wie die Ausbilder. So begann das Leben in den Sektionen erst einmal sehr bescheiden mit Bodenübungen, Sport und theoretischem Unterricht. (1) Jedoch wollten die jungen Sportler in die Luft, was also tun? Es wurde ein riesiger Exhaustor entwickelt, ein Gerät, mit dem ein Mensch mit Fallschirm etwa 40 bis 50 m hoch in die Luft ,,geblasen“ werden konnte. Dieser Exhaustor stand im Hinterhof des damaligen GST-Zentralvorstandes in Halle. Mit einem RZ-20 (ein alter Truppenfallschirm der Wehrmacht nach dem Patent von Otto Heinecke) ließ sich der Sportler Emil Schmid nach oben schleudern und landete danach wieder in dem engen Hof. Aber es war sehr offensichtlich, dass diese Methode nicht gerade die sicherste war und so wurde sie dann auch bald wieder ad acta gelegt.
Ab 1953 konnte das Springen mit dem TSG-1 (vmtl. Turmsprunggerät) aufgenommen werden, denn in Karl-Marx-Stadt war der erste 30 m hohe Fallschirmsprungturm eingeweiht worden. Hierbei handelte es sich um „gefesselte“ Sprünge, das heißt, der Pol des Fallschirms war an einem Stahlseil befestigt. Ein Metallring von etwa 5 m Durchmesser bildete die starre Basis des 30 m² großen Fallschirms. Er bestand aus groben Leinen und war aus trapezförmigen Bahnen zusammengesetzt. Die Technik des Sinkens beruhte auf dem Prinzip des Gegengewichts. (2) Es folgten weitere Sprungtürme in Berlin, Halle und anderen Städten. Am Turm in Halle, der eine Höhe von über 70 m aufwies, bekamen die ersten Instrukteure der GST ihre Ausbildung.

Der Exhaustor von Halle
(Fliegerrevue 02/1986)

Ein alter Fallschirm vom Typ RZ-20.
(Bildquelle unbekannt)

Sprungturm mit dem TSG 1
(GST-Kalender 1955)
Schließlich erhielten im Jahre 1956 fünfzehn Männer und eine Frau die Einladung zum ersten Fallschirmsprunglehrgang auf dem Flugplatz Neuhausen im Bezirk Cottbus. Dort durften sie ihre Fallschirme für die ersten Sprünge aus dem Flugzeug packen. Das Flugzeug, aus dem sie am 7. Juli 1956 erstmals sprangen, trug einen roten Stern am Heck, die Fallschirme waren aus sowjetischer Produktion und auch die Lehrer der DDR-Fallschirmsportler stammten aus der UdSSR. Keine Geringeren als der Vizeweltmeister der zweiten Weltmeisterschaft , Meister des Sports Wassili MARJUTKIN , und der Verdiente Meister des Sports der UdSSR SCHILKOW leiteten diesen ersten Sprunglehrgang, den die GST Kameraden nach einigen Wochen mit dem Erwerb der Lizenz für Fallschirmsprunglehrer abschlossen. (1) Während des mehrmonatigen Lehrgangs absolvierte jeder Teilnehmer knapp 60 Fallschirmsprünge. Als Absetzflugzeuge standen die Li-2, An-2 und Po-2 zur Verfügung; als Sprungfallschirme der viereckige PD-47 (72 m²), der Rundkappenfallschirm D-1 (81 m²) und als Rettungsgeräte der PS-41a und der Sitzfallschirm MPLK-49 (43 m²). Bei einer Gesamtzahl von über 900 Sprüngen gab es keinen einzigen Unfall. (3)

PD-47 mit PS-41a
(Bildquelle Ralf Homuth)

MPLK-49
(Bildquelle Rudi Daum)

D-1
(Bildquelle Flügel der Heimat 12/56)
Nach diesem Auftakt in Neuhausen konnte endlich mit dem Springen in allen Zentren des Fallschirmsports der Deutschen Demokratischen Republik begonnen werden. Zwei Doppeldecker vom Typ Po-2 sowie sechzehn Sprung- und Rettungsfallschirme (PD-47 und PS-41a sowie der PZ-47 aus der Sowjetunion) bildeten die materielle Basis. Mit dieser Technik zogen zwei Flugzeugführer und mehrere Fallschirmsprunglehrer von Flugplatz zu Flugplatz, setzten Sprungschüler auf Sprungschüler ab und vermittelten Hunderten das herrliche Erlebnis des Sports zwischen Himmel und Erde. (1) Der PD-47 hatte sich bereits als Siegerfallschirm bei Weltmeisterschaften bewährt und war danach in der Sowjetunion und vielen an deren Ländern als Übungsfallschirm millionenfach im Einsatz. So war es auch kein Zufall, dass mit diesem Fallschirm die Sprunglehrer der DDR auch die ersten sportlichen Erfolge im Zielspringen errangen. Freilich waren diese Ergebnisse gemessen an denen der Weltspitze bescheiden, doch der Anfang war gemacht. Als Sportfallschirm hatte der PD-47 international damals freilich schon keine Bedeutung mehr. Die Weltbesten sprangen inzwischen mit einschlitzigen, runden Sportfallschirmen. Eine Beobachterdelegation des Aeroklubs der DDR machte mit diesen Typen bei den IV. Weltmeisterschaften 1958 in Bratislava erstmals Bekanntschaft, das waren der sowjetische T-2 und der PTCH-1 aus der ČSSR. Da die besten ostdeutschen Fallschirmspringer das Ziel hatten, im sportlichen Springen eines Tages international mitzumischen, erhielten sie ebenfalls bald den T-2 und seine Nachfolgemuster, den T-2 Serie 2 und den T-2 Serie 4m mit drei Steuerschlitzen. Während anfangs nur die Spitzenspringer diesen Sportfallschirm springen konnten, stand er bald zur Weiterbildung an vielen Flugplätzen zur Verfügung und wurde von einer Vielzahl an Sportlern gesprungen. (4)

Zusätzlich geöffneter PZ-47
(Bildquelle Heinz Großer)

T-2
(Bildquelle AEROSPORT 06/1961)

T-2, Serie 4m
(Bildquelle unbekannt)
Das Fallschirmspringen wurde in der Deutschen Demokratischen Republik zu einer populären Sportart, die viele Anhänger fand, so viele, dass die vorhandenen Fallschirme nicht mehr ausreichten. Die Fallschirmsportler riefen nach Schirmen, nach einer eigenen Schirmkonstruktion, die möglichst bessere Eigenschaften aufweisen sollte als die vorhandenen und sogar die Spitzenerzeugnisse anderer Länder.
Die Seifhennersdorfer Fallschirmbauer horchten auf. Sie waren nicht sofort Feuer und Flamme, obwohl sie eine Schwäche für neue, interessante Aufträge hatten. Man musste sich zum Beispiel erst einmal Klarheit darüber verschaffen, welche besonderen Daten solch ein Spitzen-Sportschirm denn haben muss und mit welchen Lösungen ausländische Konstrukteure diese Forderungen erfüllten. Damals ähnelten sich die besten Schirme alle in einem konstruktiven Merkmal, sie besaßen einen Schlitz, der dem Schirm eine schnellere Vorwärts- und Drehgeschwindigkeit verlieh. Der sowjetische T-2 sollte Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung sein. Die Erfolge des T-2 gaben den Seifhennersdorfern auch noch eine andere wichtige Erkenntnis mit auf den Weg: Fallschirmleistungssport ist wie fast jede technische Sportart nicht nur eine Auseinandersetzung der Sportler, sondern ebenso ein Wettstreit der Konstrukteure.
Ingenieur Günter Wagner erhielt dann die Federführung für das Projekt des ersten DDR-Sportfallschirms. Das Projekt erhielt die nüchterne Bezeichnung RL-1. 1959 war der RL-1 kein Projekt mehr. Der Prototyp stand für die Bodenprüfungen bereit. Viele Monate, ausgefüllt mit Arbeit, die nicht mit den acht Arbeitsstunden des Tages abgetan war, lagen hinter ihm. Nun schwebte der erste DDR-Sportschirm der Erde entgegen. Nach den erfolgreichen Funktionsprüfungen folgten die Personensprünge. Erfahrene Sportspringer prüften den Schirm auf Herz und Nieren. Sie hatten Forderungen, die hoch waren, denn sie sollten ja mit diesem Schirm um Höchstleistungen kämpfen. Der RL-1 war, wie sich herausstellte, nicht viel mehr als eine Kopie der ausländischen Typen. Die Springer aber brauchten einen Schirm, der höhere Vorwärtsgeschwindigkeit entwickelte, schneller drehte und sich dabei wenig versetzen ließ. (5)
Im Juni 1960 war ein Teil der CSSR-Nationalmannschaft beim SC Dynamo Berlin zu Gast. Es wurde ein gemeinsames Trainingslager und ein kleiner Wettkampf auf dem Flugstützpunkt Eggersdorf durchgeführt. Beim Empfang der Gäste bestätigte ein kurzer Blick auf die Tragetaschen, dass sie ihre neuen zweischlitzigen Schirme, die PTCH-3 mitgebracht hatten. Vom ersten Tage des gemeinsamen Trainings an stellten die tschechoslowakischen Genossen ihre Schirme den Gastgebern mit zur Verfügung, dass jedes Mitglied der Dynamo-Mannschaft einige Sprünge mit dem Zweischlitzigen machen konnte. Er war sehr reaktionsschnell und stark in seiner Vorwärtsbewegung, die tschechoslowakischen Sportler sprachen von 3-4 s für eine 360°-Drehung. Im Vergleich zum „ PTCH-1″ war die Sinkgeschwindigkeit geringer und Pendelbewegungen praktisch überhaupt nicht vorhanden. (6) Zu den ersten DDR-Wettkämpfen im Fallschirmsport in Görlitz 1960 wurde dieser Schirm von der Sportvereinigung Dynamo eingesetzt. Hier wurde seine Überlegenheit gegenüber den anderen Typen deutlich sichtbar. Die Dynamo-Sportler erkämpften sich mit diesem Fallschirm den Gesamtsieg; auch Einzelsieger Günther Schmidt sprang mit dem PTCH-3. (7)

RL-1
(Bildquelle Heinz Großer)

PTCH-3
(Bildquelle AEROSPORT 03/1961)

RL-3
(Bildquelle Heinz Großer)
Erfahrungen mit dem RL-1 und dem PTCH-3 brachten objektive Forderungen mit sich, dass neue konstruktive Lösungen von den Fallschirmbauern der DDR nur durch eine Kooperation zu erzielen sei. Bei der Konstruktion des RL-3 wurde sie deshalb zwischen den Fallschirmbauern und den Sportspringern von Anfang an angestrebt und verwirklicht. Als erstes gab es Gespräche. Die Springer formulierten bis zum Detail ihre Forderungen, präzisierten, welche Eigenschaften sie von einem guten Schirm erwarteten. Diese Interaktionen und Studien führten Ingenieur Wagner zu wichtigen Erkenntnissen. Einige waren, dass die Kappenform verändert und dass das Schlitzsystem anders angeordnet werden musste. Auf die auf diesen Erkenntnissen basierende Entwicklung erhielt Ingenieur Wagner ein Patent. Die Konstruktion des RL-3 bekam durch die Tatsache, dass die Sportler der DDR an den VI. Weltmeisterschaften in Orange in den USA teilnehmen wollten, besonderes Gewicht. Die ersten Sprünge mit dem neuen Modell zeigten dann auch, dass es sich bei dem RL-3 um einen Typ handelte, der ohne Übertreibung mit den ausländischen Spitzenerzeugnissen konkurrieren konnte. (5) Dieser dreischlitzige Sportfallschirm, entwickelt, konstruiert und hergestellt in Seifhennersdorf war ein Grundstein für die nationalen und internationalen Erfolge. Bereits bis Mitte des Jahres 1962 konnten zwei Weltrekorde und elf Deutsche Rekorde aufgestellte werden. (8)
Mit guten Ideen und den Erfahrungen, unter anderem beim Adria-Cup 1963, die mit dem bewährten Sportfallschirm RL-3 gesammelt werden konnten sowie mit der Kenntnis von den Leistungen des neuesten sowjetischen Fallschirmes T-4, entwickelte ein Neuererkollektiv unter Leitung des wohl erfahrensten Zielspringers der Republik, Heinz Schaal, den Fallschirm RL-3/2. Dieser Typ bestand beim Vorbereitungstraining der DDR-Nationalmannschaft seine Bewährungsprobe und schuf mit seinen guten Eigenschaften eine wichtige Voraussetzung für die ausgezeichneten Erfolge, die die Teilnehmer der Deutschen Demokratischen Republik bei den Weltmeisterschaften in Westdeutschland erreichen konnten. Der Sportfallschirm RL-3, das Ausgangsmuster der neuen Entwicklung, erreichte mit Hilfe seines Schlitzsystems eine Vortriebskraft von etwa 3,8-4,2 m/s. Seine maximale Drehgeschwindigkeit um die eigene Achse betrug 4,8 Sekunden. Diese Leistungen waren im internationalen Maßstab durchaus noch nicht überholt, aber leider konnte mit dem Schlitzsystem des RL-3 bei Drehungen eine gewisse Seitenversetzung nicht vermieden werden, man musste mit bis zu 20 Metern rechnen. Eine derartige Eigenschaft, die bei anderen Typen in noch stärkerem Maße zu beobachten war, erschwerte natürlich die genaue Zielannäherung. In der letzten Phase des Sprunges beispielsweise musste der Landepunkt manchmal mit Drehungen bis zu 180 ° angesteuert werden. Diese letzte Drehung, die zudem noch dem Windeinfluss unterliegt und dadurch sogar auf einer elliptischen Bahn erfolgt, verlangte vom Springer ausgezeichnetes Schätzvermögen und war in der Taktik der Zielannäherung immer ein Problem. Bei der Entwicklung des Fallschirmes RL-3/2 gelang es, mit der Änderung des Schlitzsystems der Fallschirmkappe der Drehversetzung wirksam zu begegnen. Die erstaunlich hohe Pendelsicherheit verbesserte diese Leistungen noch und ließ den Vortrieb des Fallschirmes nach der Drehung sofort wieder in die neue Richtung wirken. Der Mangel, der diesem Fallschirm anhaftete, bestand darin, dass auf den letzten 5-10 Metern Höhe vor der Landung, wenn sich in der Vorwärtsbewegung kleine Korrekturen notwendig machten und eine Drehung keinen Erfolg mehr brachte, der Vortrieb des Fallschirmes nicht gebremst werden konnte. Trotz dieser Tatsache war der RL-3/2 bei höheren Windgeschwindigkeiten, etwa über 4,5 m/s, damals einer der leistungsfähigsten Fallschirme. In für andere Typen oft aussichtslosen Positionen bewies der RL-3/2 seine Standfähigkeit gegen den Wind und die Sportler der DDR konnten sich selbst aus seitlichen Positionen, schon außerhalb des Windsektors, wieder auf die richtige Bahn der Zielannäherung bringen. (9) Bei ihrem Weltmeisterschaftsdebüt 1964 in Leutkirch in der BRD errang die DDR-Nationalmannschaft mit dem RL-3/2 Siege im Gruppenzielspringen der Frauen und im Einzelzielspringen der Herren, für die es damals allerdings noch keine Weltmeistertitel gab.
Die Entwicklung des ersten Gleitfallschirmes, der von den US-Amerikanern bei der WM 1964 gesprungen wurde, stellte auch die Seifhennersdorfer Fallschirmkonstrukteure vor die Aufgabe, die Leistungsfähigkeit ihrer Fallschirme zu verbessern. (4) Der RL-3/2 war eben leider nicht bremsbar. Und gerade in der letzten Phase der Zielannäherung kann diese Eigenschaft des Schirmes über Sieg oder Niederlage entscheiden. Wie schon bei der Geburt des RL-3/2 fand sich eine Arbeitsgruppe zusammen, bestehend aus Fallschirmsportlern und Ingenieuren des Fallschirmwerkes und ging an die Lösung dieser Aufgabe. Nach vielen Diskussionen und Experimenten, geglückten und weniger geglückten, entstand der neue RL-3/4. Für den Laien verwirrend waren die Vielzahl seiner Bahnöffnungen, Lenkschlitze und Kiele. Er bestand aus Naturseide, hatte die gleiche Kappenform wie der RL-3/2 und war bremsbar, allerdings war die Sinkgeschwindigkeit größer als bei seinem Vorgänger. (10)
Die Weiterentwicklung dieses Typs hieß RL-3/5, dessen Kappe einen größeren Vortrieb besaß, sich gut steuern und dessen Vorwärtsgeschwindigkeit sich beim Zielanflug abbremsen ließ. (4) Dieser Rundkappensportfallschirm stellte wohl die reifste Konstruktion in der klassischen Rundkappenbauweise dar. (11) Bei den in Leipzig ausgetragenen VIII. Fallschirmsport-Weltmeisterschaften bewies Günter Gerhardt vom SC Dynamo mit drei Nullsprüngen und dem Gewinn des Weltmeistertitels die Leistungsfähigkeit des DDR-Fallschirmes RL-3/5. Bis zu diesem Zeitpunkt hielt das Seifhennersdorfer Fallschirmwerk an der Verwendung von Naturseide als Kappenmaterial fest. Erst mit späteren Entwicklungen wurde der Übergang zu Chemiefaserseide vollzogen. (4)

RL-3/2
(Bildquelle Rudi Daum)

RL-3/4
(Bildquelle Rudi Daum)

RL-3/5
(Bildquelle Rudi Daum)
Noch im gleichen Jahr versuchten die Konstrukteure aus Seifhennersdorf eine Etappe der Entwicklung im Bau von Sportfallschirmen zu überspringen. Während überall Rundkappengleitfallschirme erprobt und danach gebaut wurden, gehörten die Seifhennersdorfer zu den ersten, die mit einem Flügelfallschirm experimentierten, dem RL-6. Dieser Rechteckgleiter konnte bereits 1968 während der Weltmeisterschaften in Österreich der internationalen Fachwelt vorgestellt werden. Der erste Eindruck, den dieser Fallschirm machte, war gut. Er besaß mit 6,5 m/s Vortrieb und 3,5 m/s Sinkgeschwindigkeit hervorragende Gleiteigenschaften. Der Öffnungsvorgang wurde von einem hilfsschirmgesteuerten Reffleinensystem gesichert, eine Entwicklung, die ihrer Zeit weit voraus war. Dennoch konnte der RL-6 nicht zur Einsatzreife für das Sportspringen gebracht werden. Die hohe Vorwärtsgeschwindigkeit ließ sich nicht stabil abbremsen, es traten eine Reihe anderer scheinbar unlösbarer Probleme auf. Da in der Zwischenzeit die Rundkappengleitfallschirme den Anforderungen der Sportspringer genügten und diese Typen in großer Zahl zur Verfügung standen, wurde die Entwicklung des RL-6 eingestellt. (11)

RL-6
(Bildquelle unbekannt)

RL-6
(Bildquelle Ralf Homuth)

RL-5/1
(Bildquelle Heinz Großer)
Während das Seifhennersdorfer Fallschirmwerk Ende der sechziger Jahre viel Zeit der Entwicklung des RL-6 widmete, konzentrierten sich einige andere Fallschirmfirmen weiterhin auf die klassische Rundkappe, verbesserten ihre Eigenschaften so weit, dass mit ihnen die Springer erstaunliche Zielsprungleistungen vollbrachten. (4) Die Mannschaften der DDR waren beim Adria-Pokal 1967 mit dem RL-3/5 angetreten, dessen Kappe den Gleitschirmen anderer Länder in Bezug auf die Steuerfähigkeit bei der Zielannäherung deutlich unterlegen war. Es wurde offensichtlich, dass mit diesem Schirm bei internationalen Wettkämpfen kaum noch vordere Plätze errungen werden konnten. (12) Die Antwort aus Seifhennersdorf sollte der RL-5 sein. Dieser Schirm besaß eine kleinere Kappe aus Polyamid-Seide (PAS) als der RL-3/5. Aus dem RL-5 entstand der RL-5/1. Während der Erprobung wurde eine Einzugsleine – dem Para-Commander aus den USA nachempfunden – am Pol befestigt und nach der Öffnung die obere Kappe durch Einzug verändert. Allerdings erreichte der RL-5/1 nicht mehr die erforderlichen Leistungen. Deshalb entschied sich der Aeroklub der DDR, Sportfallschirme aus dem Ausland zu importieren. (13)
In der CSSR war der PTCH-7 entstanden, der dem amerikanischen „Para-Commander“ in seinen Leistungen nicht nachstand. Diesen Fallschirm sowie den dazu gehörigen Reserve-Schirm PZS-62 erhielten die Spitzenspringer der DDR für die Weltmeisterschaften 1968. Bereits bei den Wettkämpfen im eigenen Land zeigten die Auswahlspringer, wie sicher sich die Kappen zum Zielkreis steuern ließen. Bei den Titelkämpfen in Graz eroberten sie sich dann sogar den Weltmeistertitel bei den Männern im Gruppenzielspringen. Die verbesserte Version dieses Fallschirmes, den PTCH-8, erhielten in den folgenden Jahren dann nicht nur die Spitzenspringer der DDR, sondern auch die anderen Fallschirmsportzentren. (4) Der PTCH-8 rangierte bei vielen Meisterschaften auf Medaillenplätzen, konnte seine Spitzenposition aber nicht halten. Er wurde durch die Überlegenheit des sowjetischen UT-15 und des „Papillon“ aus den Hause EFA (Frankreich) verdrängt. Gründe dafür sind darin zu suchen, dass beim PTCH-8 der letzte Schritt zur modernen Kappe fehlte. Besonders an der Stirnseite und im Schub- und Dämpfungssystem waren Verbesserungen notwendig. Selbst ČSSR-Spitzenspringer hatten diesen Mangel rechtzeitig erkannt, stiegen auf UT-15 um und waren wieder sehr erfolgreich. (14) Für die Sportler der beiden Klubmannschaften der DDR, die den Fallschirmsport auch international vertraten, wurde 1974 der sowjetische UT-15 importiert. Er war der weltbeste Sportfallschirm der damaligen Zeit und trug beispielsweise auch zu dem DDR-Rekord bei, den Andreas Partsch vom GST-Fallschirmsportklub bei den DDR-Meisterschaften 1975 in Eilenburg mit zehn Nullsprüngen und einmal 0,07 m aufstellte. (4)

PTCH-7
(Bildquelle unbekannt)

PTCH-8
(Bildquelle Heinz Großer)

PZS-62
(Bildquelle Jerry Irwin)

UT-15
(Bildquelle Heinz Großer)
Am 14.12.1973 tagte in Leipzig-Mockau unter Leitung ihres Vorsitzenden, Werner Schmidt, die Fallschirmsportkommission des Aeroklubs der DDR. Nach einem Bericht über die Weiterentwicklung der Seifhennersdorfer Fallschirme wurde festgelegt, dass in den folgenden Jahren eine Typenbereinigung erfolgen sollte, damit eine Qualitätsverbesserung auf dem Gebiet der Zubehörteile erreicht werden könne. Die Kommission sprach sich für folgende Typen aus: RS-4/3c für Sprungschüler bis zum 12. Sprung, RS-8 bis zum Erhalt des Erlaubnisscheines und RL-8 nach Erhalt des Erlaubnisscheines und einer stabilen Lage im freien Fall. (15) Die Übungsfallschirme RS-4/3c und RS-8 wurden als Nachfolgemuster für das Fallschirmmuster PD-47 entwickelt. Sie haben eine runde Kappenform mit einem auffallenden Wulst über dem Basisrand. Die Fallschirme haben eine etwas geringere Sinkgeschwindigkeit als der PD-47 und sind bei hoher Stabilität beim Sinkvorgang durch das angebrachte Schlitzsystem manövrierfähiger. Der Fallschirm RS-8 hat eine etwas geringere Kappenfläche und ist dadurch geeigneter für fortgeschrittene Fallschirmspringer. Für die Herstellung der Fallschirme fand synthetisches Material Verwendung. Beide Typen wurden im Fallschirmwerk Seifhennersdorf entwickelt und dort in Serie hergestellt. (16) Gleichzeitig wurde auch der Übungsfallschirm PTCH-C aus der CSSR ersetzt, mit dessen Import man zwischenzeitlich eine Lücke im Bereich der Ausbildung gestopft hatte. (4) Mit dem Rundkappengleiter RL-8 konnte ab 1973 der Bestand an Sportfallschirmen auf den Flugplätzen ergänzt werden. (11)

PTCH-C
(Bildquelle Geräte-Handbuch)

RS-8 (in Hintergrund) und RS-4/3C
(Bildquelle Deutsche Fotothek)

RL-8
(Bildquelle Urania Universum, Band 22)
Auch im Bereich Rettungsfallschirme hatten sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der BEWES viele Gedanken gemacht und sich weiter entwickelt. Ergebnis waren die Fallschirme BE-3 und BE-7, Rettungsschirme für Fallschirmspringer, die als Brustreserven ausgelegt waren. Der BE-3 war eine Weiterentwicklung des russischen PS-41a. Durch die Verwendung von Dederonmaterial für die Fallschirmkappe und Fangleinen wurde das ursprünglich verwendete Seidenmaterial abgelöst. Dieser modifizierte Typ trug die Bezeichnung BE-3D mit einer höheren Belastbarkeit und Betriebsdauer. Speziell für leistungssportliche Zwecke wurde der Fallschirm BE-3D zum Typ BE-7 weiterentwickelt. Dieser Fallschirm zeichnete sich besonders durch seine kleineren Abmessungen und sein geringeres Gewicht aus. Beide Fallschirmtypen wurden mit einer manuellen Öffnungsvorrichtung versehen, die von beiden Händen ausgelöst werden konnte. Die Auslegung der Gurtanschlüsse ermöglichte die Anbringung an alle damals gebräuchlichen Sprungfallschirme. Die Fallschirme BE-3 und BE-7 wurden in großen Stückzahlen für den In- und Auslandsbedarf produziert. (16) Die einfache Rundkappe des Rettungsfallschirmes, wie z.B. beim BE-7, hatte aber einen Nachteil. Sie ließ sich nicht steuern und so musste der Fallschirmspringer beim Öffnen seines zweiten Gerätes dort landen, wo ihn der Wind hintrieb, ganz gleich, ob es sich um einen Wald, einen See, ein Bahngelände oder eine Wohnsiedlung handelte. Wieder stellten die Fallschirmsportler Forderungen an die Fallschirmhersteller: Auch der Rettungsfallschirm sollte steuerbar sein! Bisher haben nur wenige Firmen dieser Forderung entsprochen, denn absolute Zuverlässigkeit und Steuerbarkeit des Rettungsfallschirmes ließen sich doch nicht so einfach verwirklichen. So war es besonders erfreulich, dass dem DDR-Fallschirmwerk in Seifhennersdorf wieder ein guter Wurf gelungen ist und die Konstrukteure nach gründlicher Erprobung ihren Fallschirmsportlern einen Rettungsfallschirm zur Verfügung stellten, der Weltniveau hatte, denn er vereinigte in sich alle gestellten Forderungen. Der BE-8 war ein Rettungsfallschirm, der sich auf Grund der konstruktiven Auslegung der Kappe schnell und sicher öffnete und außerdem einen Vortrieb von 1 bis 2 m/s entwickelte und damit steuerbar war. Interessante konstruktive Details an der Kappe waren die Lufttaschen, der Baldachin über der Polöffnung, der horizontale Vortriebsschlitz und die aus unterschiedlich luftdurchlässigem Material bestehenden 24 Bahnen. Ab 1972 konnte die Sportler diesen Rettungsschirm nutzen. (17) Zu einem späteren Zeitpunkt wurde der BE-8 modifiziert und erhielt die Bezeichnung BE-8, Serie 2. Der Fallschirm BE-8S, Serie 2 besaß gegenüber dem BE-8, Serie 2 einen in seinen Abmessungen veränderten Verpackungssack und fand speziell als Rettungsfallschirm für Fallschirmsportspringer Verwendung. (18)

BE-3
(Bildquelle unbekannt)

BE-7
(Bildquelle „Abenteuer Fallschirmspringen“)

BE-8S, Serie 2
(Bildquelle Prospekt des RL-8)
Erst mit dem erfolgreichen Einsatz des US-amerikanischen „Strato-Stars‘ im Jahre 1975 rückte der Rechteckgleiter wieder in den Blickpunkt des Interesses der Fallschirmbauer. Mit diesem druckaufgeblasenen Flügelfallschirm mit hilfsschirmgesteuertem Reffleinen-Öffnungssystem (siehe RL-6) war der Bann gebrochen. Diese Entwicklung entsprach den Forderungen der besten Fallschirmsportler der Welt. (11) Im Dezember 1975 hatte die Forschungs- und Entwicklungsstelle von BEWES (Bekleidungswerke Seifhennersdorf) die Möglichkeit für einen Tag den Strato-Star zu begutachten. Anfang des Jahres 1976 fand für die benannten Sprungkader eine theoretische Einweisung durch die SLI (staatliche Luftfahrtinspektion) und den Physiker Helmut Hentschel (BEWES) in Eilenburg statt . Die praktische Einweisung sowie Sprungeinweisung erfolgte am 9. und am 10. März 1976 für den Kaderkreis in Halle-Oppin. Danach wurden die Nationalkader mit diesen Schirm ausgerüstet. (19)
Seit 1975 beschäftigten sich auch die Seifhennersdorfer Fallschirmbauer wieder mit der Konstruktion und dem Bau von Rechteckgleitern. Sie hatten den Vorteil, den international erreichten Stand bei der Rechteckgleiterentwicklung auswerten zu können. (10) Zunächst wurden 4 Varianten mit unterschiedlichen Gewebeeinsatz vorbereitet, wobei natürlich umfangreiche Windkanalversuche in Dresden erforderlich waren. Am 5.11.1976 absolvierte Erprobungsspringer Hans-Günter Seibt mit der Variante M3 (5 Kammern) den ersten Erprobungssprung in Eilenburg. Mehrere Sprünge der einzelnen Varianten folgten. Noch im November 1976 erhielt BEWES einen Strato-Cloud, einen Flächenschirm mit 7 Kammern. Nun kam auf sie erneut die Aufgabe zu, diesen Schirm in der DDR zu entwickeln und die Zeit drängte. Aber bereits am 11.02.1977 führte Seibt mit der Variante M5 (7 Kammern) den Erstsprung in Eilenburg durch. Aus der besagten Variante M5 entstand dann der spätere RL-10. Noch bis zum 24.03.1977 folgten Vergleichssprünge von Versuchsmustern mit 5 und 7 Kammern eigener Produktion sowie mit Strato-Star und Strato-Cloud. Am 21.04.1977 machte der Erprobungsspringer dann den Erstsprung mit dem in Serie gefertigte RL-10. (19)
Die klassischen Disziplinen Figurenspringen und Zielspringen waren zu der Zeit dominante Formen im Leistungssport. Es gab schon Weltmeisterschaften im RW-Springen und auch das Kappen-RW wurde praktiziert, beides waren aber trotzdem nur Randerscheinungen in Eilenburg und Halle-Oppin. Der Trend beim Figurenspringen ging in Richtung leichtere Ausrüstung um agiler in der Luft zu sein. Beim Zielspringen versuchte man Kappen derart anzupassen, dass ein stabiles Flugverhalten den Springer auch unter schwierigen meteorologischen Bedingungen zur Nullscheibe bringen konnte, und zwar kontinuierlich. Bei dem mit RL-12 bezeichneten Baumuster waren die Seifhennersdorfer Konstrukteure konsequent Ihren bereits mit dem RL-10 beschrittenen Weg weiter gegangen und hatten zusätzliche Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Aerodynamik starrer Flügel für den Fallschirmbau nutzbar gemacht. Sie versahen Ihren neuen Gleitfallschirm mit einem Vorflügel, der durch eine über der oberen Kappenfläche liegenden Stoffbahn gebildet wurde. Mit ihrer bereits patentierten Neuentwicklung deuten die Fallschirmhersteller von BEWES eine Entwicklungsrichtung an, durch die sich die aerodynamische Qualität der tragenden Fläche wesentlich verbessern ließ. Erstmals wurde hier bei einem Staukammer-Gleitfallschirm versucht, durch Vorflügel und Grenzschichtbeeinflussung die aerodynamischen Eigenschaften, das Öffnungs- und Trageverhalten, den Gleitwinkel und die Flugstabilität im angebremsten Flugzustand zu verbessern. Diese Verbesserungen sollten sich vor allem im Finalanflug und in der unmittelbaren Landephase positiv bemerkbar machen. Oder anders gesagt, der Zielspringer sollte – gute und regelgerechte Handhabung des Fallschirms vorausgesetzt – mehr Zeit zum Nulltreten haben. Die Seifhennersdorfer bewiesen mit dem neuen Gleitfallschirm, dass sie weiterhin zu den Schrittmachern in der Internationalen Fallschirmentwicklung zählten. Nicht zuletzt dem RL-12 verdanken sie ihre Auszeichnung mit einem Gruppendiplom der FAI, der Internationalen Flugsportföderation. Angespornt durch diese internationale Ehrung wurden die Entwicklungsarbeiten beharrlich fortgesetzt. Schließlich konnten die Entwicklungsingenieure den Mitgliedern der DDR-Nationalmannschaft im Frühjahr 1982, noch rechtzeitig vor der nächsten Weltmeisterschaft, das leistungsfähigere, im Detail veränderte Modell RL-12/2 übergeben. Die dort erzielten Ergebnisse zeugten einerseits vom im harten Training erworbenen Können der Sportler, andererseits von den leistungsfördernden Gebrauchseigenschaften des neuen Sportgerätes. (20)

STRATO-STAR
(Bildquelle Fliegerrevue 05/1977)

RL-10
(Bildquelle Fliegerrevue 11/1979)

RL-12
(Bildquelle Fliegerrevue 12/1980)
Bei den Weltmeisterschaften 1984 in Vichy (Frankreich) wurde der US-amerikanische PARA-FOIL zum Gewinner der internationalen Spiele. Nicht weniger als 21 Nationen nutzten diesen Schirm, darunter auch die Springer aus der UdSSR und der Tschechoslowakei. Im Einzelzielspringen der Damen und Herren gingen die Athleten der DDR ohne Medaillen nach Hause. Vielleicht war das der Punkt, dass man sich entschloss, für den Nationalkader den PARA-FOIL zu importieren. 1985 kaufte man 4 Komplettsysteme (272-Kappen und Vector-Gurtzeug) und jede Menge 252-Kappen, die dann in den beiden Klubs von der GST und von Dynamo aufgeteilt wurden. (21) Bis 1990 wurde dieser Schirm dann auch national und international erfolgreich gesprungen.
Der Import eines ausländischen Produktes war natürlich Motivation genug, dass man sich in Seifhennersdorf intensiv mit der eigenen Entwicklung beschäftigte, um international wieder konkurrenzfähig zu sein. Langwierige Windkanaluntersuchungen haben ergeben, dass in der Endphase des Zielsprunges mit einem veränderten Flügelprofil mehr herauszuholen war, als das bisher möglich gewesen ist, vorausgesetzt, es gelingt, den Flügel weitestgehend verbindungssteif zu gestalten, um so in allen Phasen des Fluges eine optimale Profiltreue zu gewährleisten. Mittels präziser Untersuchungen wurde schließlich nicht nur ein für diese Zwecke geeignetes Tragflügelprofil (ohne Vorflügel) gefunden, sondern durch eine veränderte Art der Anbringung der Fangleinen auch erreicht, dass der siebenzellige Flügel verhältnismäßig starr fixiert werden konnte und Umströmungsveränderungen bzw. Steuermanöver nur in geringem Maße zu Kappendeformationen führten. Das bewährte hilfsschirmgesteuerte Reffleinensystem wurde beibehalten, ein Öffnungsschiebersystem war jedoch in Vorbereitung, so dass für die spezifischen Anforderungen des Formationsspringens später auch RL-16 mit Schieber-(Slider)-Dämpfung eingesetzt werden konnten. Die Anwendung konsequenter Leichtbauweise führte dazu, dass dieser Fallschirm gewichtsmäßig erheblich „abmagerte“. Neue Beschlagteile, ein neuer Verpackungssack sowie ein neues Einsteigegurtzeug trugen ebenfalls dazu bei, dass der Springer weniger Ballast mit sich führte. Dies machte sich besonders beim Figurenspringen positiv bemerkbar. Der aerodynamisch günstiger gestaltete Verpackungssack bestach schon rein äußerlich durch seine moderne und farbenfreudige Gestaltung. Die Fallschirmkappe des RL-16 wurde dann auch in einem anderen neuartigen System, dem Tandemverpackungssystem TD 2-2 Serie 2 eingesetzt. Im Gegensatz zu den bisher üblichen Verpackungen (Rettungsfallschirm vor der Brust, Sprungfallschirm auf dem Rücken), befanden sich hier Rettungsfallschirm und Sprungfallschirm in einer kombinierten Verpackung auf dem Rücken des Springers. Eine Besonderheit war hierbei der Rettungsfallschirm RG-2, dessen Kappe im Gegensatz zum bewährten BE-8, Serie 2 ebenfalls als Gleitfallschirmkappe ausgebildet war. Durch die Leistungen des RG-2 ist es möglich gewesen, auch bei Windgeschwindigkeiten von > 10 m/s zu springen – ohne im Falle einer notwendigen Inanspruchnahme des Rettungsfallschirms hoffnungslos abgetrieben zu werden und gefahrlos landen zu können. Die Entfaltung der Kappe wurde durch einen Öffnungsschieber gesteuert. Die Verwendung von Leichtgewebe und eines Diapers anstelle des Inneren Verpackungssackes führten zu einer Kappenmasse von nur ca. 3,5 kg. Sowohl beim RL-16 als auch beim TD 2-2 Serie 2 wurden Schlaufe-Stift-Verschlüsse zum Verschließen der Verpackungssäcke verwendet. Das verbesserte Trennsystem TSS-2 sicherte eine in allen Lagen funktionierende Trennung von der Kappe im Havariefall. Durch die Verwendung plastummantelter Kabel und Kabelschläuche aus nichtrostendem Stahl sowie neuen Gurtzeug-Steckschlössern aus nicht rostendem Stahl waren diese Fallschirme auch für den Wassersprung zugelassen. (22) Das neue „Gespann“ wurde 1986 auf der Herbstmesse in Leipzig vorgestellt und mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. (23) Der modifizierte RL-16/3 im TD-3 erhielt auf der Herbstmesse 1989 ebenfalls eine Goldmedaille. Die Öffnungseinleitung erfolgte nun nicht mehr durch den Öffnungsgriff am Gurtzeug sondern durch ein Handdeploy. (24)

PARA-FOIL mit Vector-Gurtzeug
(Bildquelle Fliegerrevue 11/1985)

TD 2-2, Serie 2 mit RL-16 …
(Bildquelle Fliegerrevue 02/1987)

… und RG-2
(Bildquelle Fliegerrevue 02/1987)
Das Ende der DDR war nicht das Ende der ostdeutschen Fallschirmtechnik. Modifizierte Versionen des RS-4 werden noch heute als Militärschirm in einigen Ländern gesprungen. Die Kappen des BE-8 sind Bestandteile des Rettungsschirmes RE-5 für die Sportfliegerei und der RL-16/3 ist im Zielspringen weiterhin eine zuverlässige Größe, den man auf verschiedenen Wettkämpfen bewundern kann. So lebt ein kleines Stück Geschichte weiter.
Quellenangaben:
(1) „Abenteuer Fallschirmspringen“, Verlag für Verkehrswesen der DDR
(2) „Der schöne schwere Anfang“, ein Artikel aus der Zeitschrift Fliegerrevue 2/86
(3) „Sprung frei“, ein Artikel aus der Zeitschrift Fliegerrevue 3/86
(4) „Fallschirme über unsere Sprungplätze“, ein Artikel aus der Zeitschrift Fliegerrevue 8/76
(5) „Die ersten Sportschirme“, ein Artikel aus der Zeitschrift AEROSPORT 7/66
(6) „Bekanntschaft mit dem Zweigeschlitzten“, ein Artikel aus der Zeitschrift AEROSPORT 9/60
(7) „Kennblatt für Fallschirme – PTCH-3“, ein Artikel aus der Zeitschrift AEROSPORT 3/61
(8) „Auch ein Geschenk“, ein Artikel aus der Zeitschrift AEROSPORT 7/62
(9) „Fallschirme mit Weltniveau“, ein Artikel aus der Zeitschrift AEROSPORT 2/65
(10) „Ein neuer Schirm“, ein Artikel aus der Zeitschrift Fliegerrevue 11/65
(11) „RL-10“, ein Artikel aus der Zeitschrift Fliegerrevue 8/77
(12) „Adria-Pokal 1967 in Portoroz, ein Artikel aus der Zeitschrift Fliegerrevue 10/67
(13) „Geschichte der Luftfahrtindustrie der DDR“, Verlag Rockstuhl, Frank-Dietmar Lemke
(14) „UT-15 war der Star der Saison“, ein Artikel aus der Zeitschrift Fliegerrevue 12/74
(15) Auszug aus dem Protokoll der Tagung der DDR-Fallschirmsport-Kommission vom 14.12.1973
(16) „Das Grundwissen des Fallschirmspringers“, Lektüre des Zentralvorstands der GST, Abteilung Flugsport
(17) „Ein neues Rettungsgerät für Springer“, ein Artikel aus der Zeitschrift Fliegerrevue 5/72
(18) Fallschirmhandbuch für den Rettungsfallschirm BE-8S , Serie 2 und BE-8, Serie 2, Aufgabe 01-1976 / 03-1983
(19) persönliche Erinnerungen des Erprobungsspringers von BEWES Hans-Günter Seibt
(20) „Der neue aus Seifhennersdorf – RL-12/2“, ein Artikel aus der Zeitschrift „Fallschirmjäger im Einsatz“ 1984
(21) persönliche Erinnerungen des Mitglieds der DDR-Nationalmannschaft und Weltmeister Ronald Eilenstein
(22) „Der neue aus Seifhennersdorf – RL-16“, ein Artikel aus der Zeitschrift „Fallschirmjäger im Einsatz“ 1987
(23) aus einem Artikel der Zeitschrift „Sport und Technik“ 11/1986
(24) „Messegold für TD-3“ aus der Zeitschrift Fliegerrevue 12/89