
Seit 1954 finden die als Weltmeisterschaften in den klassischen Disziplinen bezeichneten Welttitelkämpfe im Ziel- und Figurenspringen im Zweijahresrhythmus statt und genossen lange Zeit weltweit Anerkennung. So beteiligten sich Ende der achziger Jahre über die Hälfte der 56 Mitgliedsländer der Internationalen FAI-Fallschirmsportkommission (CIP) an den internationalen Titelkämpfen. Diese Entwicklung ist besonders deshalb beachtlich, weil seit 1975 auch im Freifall Formationsspringen, seit 1986 im Kappen-Formationsspringen und seit 1987 in der Para-Ski-Kombination weitere Weltmeisterschaften im Zweijahresrhythmus veranstaltet werden. (1)
Bevor die Entwicklungsschwerpunkte aufgezeigt werden, noch einige Zeilen zu den konkreten Anforderungen an den Figurenspringer bzw. die Figurenspringerin. (Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird nachfolgend die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.)
Nach Verlassen des Luftfahrzeuges in 2000 m Höhe stehen den Sportlern maximal 30 Sekunden Freifallzeit für den entsprechenden Komplex zur Verfügung. Zunächst richtet er den Körper nach dem Orientierungspunkt am Boden aus, welcher auch der Standort der Videokameras ist. Danach wechselt er aus der Bauchlage in die Sturzposition (Kopf nach unten), wodurch er seine Fallgeschwindigkeit bis auf 240 km/h erhöhen kann. Etwa 12 bis 15 Sekunden fällt er in dieser Position und vergrößert damit den Wirkungsgrad der auf den Körper einwirkenden äußeren Kräfte Schwerkraft und Luftwiderstand, bringt sich dann in die Horizontallage und beginnt die Übungsabfolge, auch Komplex genannt. Die Schiedsrichter starten ihre Stoppuhren im Moment der ersten Bewegung des Körpers in Richtung der ersten Drehung und stoppen den Zeigerlauf, wenn der Körper nach dem zweiten Salto die Horizontale erreicht hat. Die gemessenen Sekunden sowie eventuelle Strafzeiten für sporttechnische Ausführungsmängel ergeben das Wettkampfergebnis.
Von Anfang an entwickelte sich neben den Zielsprungkonkurrenzen die äußerst anspruchsvolle Freifall-Disziplin Figurenspringen, im Code Sportif der FAI, Sektion 5, definiert als: “… eine Serie von Freifallmanövern, die von einem Einzelspringer geflogen wird und die aus 360°-Drehungen und Rückwärtssalti besteht.” Das im wesentlichen seit 1964 bestehende Standardprogramm hat folgendes Aussehen:
- Serie oder Linkskomplex: Linksdrehung-Rechtsdrehung-Salto-Linksdrehung-Rechtsdrehung – Salto;
- Serie oder Rechtskomplex:Rechtsdrehung-Linksdrehung-Salto-Rechtsdrehung- Linksdrehung-Salto;
- Serie/Linkskreuzkomplex: Linksdrehung-Rechtsdrehung-Salto-Rechtsdrehung-Linksdrehung-Salto;
- Serie/Rechtskreuzkomplex: Rechtsdrehung-Linksdrehung-Salto-Linksdrehung-Rechtsdrehung – Salto.
Bild 1 – Vorbereitung der Wettkämpferin (hier Sonja Schneider) auf den bevorstehenden Figurensprung.
Bild 2 – Der Moment des Absprungs mit anschließendem „Sturzflug“.
Video 1 – Der Figurenkopmplex, hier ein sogenannter Linkskomplex von Irina Walkhoff vorgeführt.
Bild 3 – Schiedsrichterarbeit mit Fernrohr und Stoppuhr in der Hand.
(Bild- und Videoquellen: Bild 1 „Für dich“ 39´1981, Bild 2 Fliegerrevue 2´1983, Video 1 „Eine Frau fällt vom Himmel, Bild 3 NBI 32´1978)
Das Figurenspringen ist inzwischen verbindlicher Bestandteil nationaler Meisterschaften und Wettkampfsysteme aller CIP-Mitgliedsländer und es entwickelte sich schrittweise von den ersten Versuchen eines stabil beherrschten und bewusst gesteuerten freien Falles bis hin zum heute gültigen Modus. Die markantesten Abschnitte dieser Entwicklung:
I. Weltmeisterschaft 1951 in Bled/Jugoslawien – Zwei Sprünge aus 2000 m Höhe mit maximal 33 Sekunden verzögerter Fallschirmöffnung in exakt 300 m Höhe erbrachten die Idealpunktzahl. Höhenabweichungen zogen Strafpunkte nach sich.
II. Weltmeisterschaft 1954 in Saint Yan/Frankreich – Ein Stilsprung aus 1500 m Höhe mit 20 Sekunden verzögerter Fallschirmöffnung. Bewertet wurde die technische Sauberkeit des Stilsprungs, wobei der Körper eine richtungsstabile Horizontallage mit dem Gesicht nach unten aufweisen musste.
III. Weltmeisterschaft 1956 in Moskau-Tuschino/UdSSR – Zwei Stilsprünge aus 1500 m Höhe mit 20 Sekunden Verzögerung. Neben dem Stil wurde erstmals die genaue Zeiteinhaltung bewertet. (1) Konkret wurden folgende Bedingungen für diese Sprünge festgelegt: Unmittelbar nach dem Absprung vom Flugzeug nimmt der Fallschirmspringer die Brustlage (mit der höchsten zulässigen Neigung von bis zu 45° mit dem Kopf zum Boden) in eine von der Wertungskommission vorgegebene Richtung ein. Daraus folgt, dass die Richtung des Anflugs auf das Ziel gerichtet sein musste, in dessen Nähe sich das Wertungskomitee befand. Da der Fallschirmspringer die H-Position einnehmen und sich zur Kommission bewegen musste, konnte er das Flugzeug nur entgegen der Anflugrichtung verlassen. Für jede Sekunde, in der er sich nicht in der vorgeschriebenen Richtung und für jede Sekunde, in der er sich nicht in einer festen Position ohne Längs- oder Querschwankungen befand, wurden von der Kommission bis zur 5. Sekunde fünf Punkte abgezogen. Wenn der Fallschirmspringer die vorgeschriebene Richtung und Position nicht innerhalb der 5. Sekunde einnahm, verlor er alle 100 Punkte für den Stil.
In der zehnten Sekunde musste der Springen mit vier Drehungen um jeweils 360° abwechselnd nach rechts und nach links beginnen, also schrieb er tatsächlich zwei Achten mit seinem Körper. Diese vier Drehungen mussten innerhalb der 25. Sekunde abgeschlossen sein; Punkte wurden für jede nicht vollendete Drehung sowie für das Überschreiten der 25. Sekunde abgezogen. Die exakte Ausführung aller vier Drehungen wurde mit 50 Punkten bewertet.
Der Fallschirmspringer sollte in der 30. Sekunde den Fallschirm öffnen. Sollte er vor diesem Zeitpunkt öffnen, erhielt er für jede Sekunde Strafpunkte. Wenn der Sprung mehr als 30 Sekunden im freien Fall dauerte, verlor man alle 100 Punkte in der Disziplin. (2)
IV. Weltmeisterschaft 1958 in Bratislava/CSSR – Zwei Figurensprünge aus einer Höhe von 2200 m mit 35 bis 40 Sekunden Verzögerung. Der Fallschirmspringer musste sofort nach dem Absprung eine waagerechte Lage einnehmen und sich in eine bestimmte Richtung drehen, die der auf der Erde ausgelegte Pfeil anzeigte, und anschließend eine Reihe von Umdrehungen nach Signalen durchführen, die er in der fünften Sekunde des freien Falles und im Abstand von fünf Sekunden auszuführen hatte. Wurde beim Pfeil ein sogenanntes „linkes Signal“ ausgelegt, dann hieß es Linksdrehung, danach Salto, eine weitere Linksdrehung, erneut Salto usw. Bei „Rechtssignal“ begann der Fallschirmspringer mit Rechtsdrehung, nachfolgendem Salto und setzt die Rechtsdrehung sowie Salti fort. Wurden beide Signale ausgelegt, dann musste der Fallschirmspringer zuerst mit einem Salto beginnen, darauf folgte eine Linksdrehung, neuer Salto, weitere Linksdrehung, usw..
Die Verzögerung wurde nicht gewertet, aber bei einer Verzögerung von weniger als 35 Sekunden oder länger als 40 Sekunden wurde die ganze Disziplin nicht gewertet. Der Stil des freien Falles wurde wie folgt gewertet: exakter Absprung, Lage und Richtungnahme 100 Punkte, Umdrehungen 25 Punkte, Salti 35-50 Punkte. Wenn vom Teilnehmer die bestimmte Ordnung der Umdrehungen nicht eingehalten werden konnte, dann gab der Schiedsrichter überhaupt keine Punkte: eine nicht vollendet Umdrehung oder eine Umdrehung um 90 Grad überdreht sowie ein Salto in der bestimmten Richtung nicht vollendet wurden mit 5 Strafpunkten abgerechnet. Bei Beginn der letzten Umdrehung musste sich der Sportler in die ursprüngliche Lage umdrehen.
Neu waren die unterschiedlichen Fallrichtungen und Salti. Der Fallschirmspringer musste sich bei den Umdrehungen in Pfeilrichtung orientieren (Bild 4), beim Salto muste er eine rechtwinklige Richtung – dem Pfeil zugewand – einnehmen (Bild 5).


Bild 4 – Richtungsanweisung durch ausgelegten Pfeil am Boden.
Bild 5 – Ausgangslage vor Beginn des Saltos war der 90°-Winkel zum Bodensignal.
(Bildquellen: Flügel der Heimat” 2′ 1959)
Erfolgte nach der Umdrehung ein Salto, dann musste nach Beendigung der letzten Umdrehung der Springer eine Wendung von 90 Grad (seitlich dem Pfeil zu) machen, um den Schiedsrichtern eine genaue Beurteilung des Saltostiles zu ermöglichen; die Beibehaltung der ursprünglichen Richtung bei freiem Fall hätte die Beurteilung wegen der Vorderansicht erschwert. Folgten einige Salti aufeinander, dann musste der Springer andauernd die Richtung ändern: Er war verpflichtet, sich nach Beendigung eines Salto um 180 Grad zu drehen, erst dann konnte er einen weiteren Salto ausführen (Bildfolge 6 – 9). (6)




Bild 6 … 9 – Salto und anschließend zwingend zu fliegende Richtungsänderung.
(Bildquellen: Flügel der Heimat” 2′ 1959)
V. Weltmeisterschaft 1960 in Musatschewo/VR Bulgarien – Neben den kombinierten Einzel- und Gruppensprüngen mit verzögerter Fallschirmöffnung (Zielsprünge) gab es noch die dritte Wettkampfdisziplin: „Stilsprünge aus 2000 m Höhe mit Stilwertung und Ausführung von Figuren-Übungskomplexen während des freien Falls.” Während der Wettkämpfer bei den ersten beiden Disziplinen jeweils vier Spünge absolvieren musste, von denen die drei besten gewertet wurden, benötigte er im besagten Stilspringen mit Figurenkomplexen nur zwei Fallschirmsprünge. Für jede Sekunde, die der Fallschirmspringer seinen Fallschirm nach Ablauf der festgelegten Verzögerungszeit öffnete, erhielt er 50 Strafpunkte.
Für den Stilsprungwettbewerb waren acht Übungskomplexe vorgesehen. 36 Stunden vor der Austragung dieser Disziplin losten die Wettkämpfer je drei Übungskomplexe aus, die durch verschiedene Sichtzeichen vom Boden aus angeordnet wurden und im freien Fall auszuführen waren. Auf diese Weise erfuhr der Wettkämpfer die Reihenfolge seiner Übungskomplexe erst während seines Sprunges. Der Figuren-Übungskomplex während des freien Falles musste innerhalb von 20 Sekunden ausgeführt werden. Für die vorzeitige Beendigung der Übungen wurden dem Wettkämpfer je Sekunde Prämienpunkte gutgeschrieben.
Die Durchführung des Figuren- Übungskomplexes während des freien Falles wurde gegenüber den Ausführungsbedingungen bei den IV. Weltmeisterschaften dadurch erschwert, dass mit der Ausführung der Figuren sofort nach Verlassen des Flugzeuges begonnen werden musste. Der Absprung wurde ebenso wie die Reihenfolge der Übungskomplexe durch Zeichen, die auf der Erde ausgelegt wurden, angeordnet. (3) Diese Zeichen waren für den Springer 5 Sekunden sichtbar (1). Bei der Ausführung der 360°-Drehungen in der Luft war eine Abweichung von 45° nach Beendigung der Drehung nach links und rechts erlaubt. (3)
VI. Weltmeisterschaft 1962 in Orange/USA – Die zwei Figurensprünge wurden im Wettkampf aus 2000 Meter Höhe mit 25 bis 30 Sekunden Verzögerung gesprungen. Während des freien Falles mussten Figurenkomplexe ausgeführt werden, d. h. Drehungen in der Horizontalen um 360° und zusätzlich bei den Männern Salti rückwärts um die Querachse in bestimmter Reihenfolge.
Das Flugzeug flog bei dieser Disziplin mit dem Wind an. Der Springer verließ über einem am Boden markierten Punkt oder auf ein Signal hin die Maschine. In diesem Augenblick erschien auf der Erde ein Zeichen, das fünf Sekunden sichtbar blieb und dem Springer den zu springenden Komplex anzeigte. Normalerweise gab es im Wettkampf drei dem Springer bekannte Komplexe, die sich aus je vier Drehungen und zwei Salti für Männer und je vier Drehungen für Frauen in verschiedener Reihenfolge zusammensetzten. Um dem Springer eine räumliche Orientierung zu ermöglichen, lag auf dem Boden ein etwa 15 Meter langer und ein Meter breiter Pfeil aus. Der Wettkämpfer musste zu Beginn des Komplexes mit dem Kopf in Pfeilrichtung liegen. Wann der Springer mit dem Komplex begann, war ihm überlassen. Wesentlich war, dass er ihn in der vorgeschriebenen Zeit beendete. Für die Männer waren es 20, für die Frauen 15 Sekunden (Der taktisch klug eingestellte Springer begann nicht sofort nach dem Erkennen des Zeichens, sondern nahm erst „Fahrt“ auf, um die Figuren schnell drehen zu können). (4)
Für die ungenaue Ausführung der Drehungen und Salti berechneten die Schiedsrichter empfindlich hohe Punktabzüge. Bei einer möglichen Gesamtpunktzahl von 200 für einen Komplex wurden bei einer Überdrehung zwischen 90° und 180° 38 Minuspunkte angerechnet. Überdrehte der Springer um über 180°, wurde der Sprung mit 0 Punkten bewertet. Fehlten bei einer Drehung mehr als 45°, so wurde auch dieser Sprung nicht mehr gewertet. Für eine Unterdrehung zwischen 315° und 360° gab es 35 Minuspunkte. Ähnlich war es auch bei den Salti. Über 45° verkantet oder überzogen bedeutete 0 Punkte für den ganzen Sprung. Jeder konnte sich also ausrechnen, dass man bei solchen Fehlern hoffnungslos ins Hintertreffen geriet.
Weiterhin war aus dieser Wertung ersichtlich, dass bei exakter Komplexbeherrschung die Zeit entschied. Für jede Sekunde, die der Springer weniger als die vorgegebene Zeit benötigte, wurden ihm fünf Punkte gutgeschrieben; für jede Zehntelsekunde 0,5 Punkte. Für jede Sekunde, die er länger als erlaubt brauchte, gab es zehn, für jede Zehntelsekunde einen Minuspunkt.
Auch für das Öffnen des Fallschirmes war die Zeit vorgeschrieben. Es hatte zwischen der 25. und 30. Sekunde zu erfolgen. Verstöße wurden mit 50 Minuspunkten geahndet.
Die Sprünge in dieser Disziplin wurden bei internationalen Vergleichen normalerweise von fünf Schiedsrichtern beobachtet und bewertet, bei Weltmeisterschaften waren es sogar sieben. Jeder dieser Schiedsrichter verfolgte mit einer guten Optik den Sprung, stoppte die Zeit für Beginn und Ende des Komplexes und für die Fallschirmöffnung und sagte die festgestellten Fehler einem Helfer an, der diese Bemerkungen in Form taktischer Zeichen in ein Formblatt eintrug. Auf diesem Formblatt waren die 30 Sekunden des freien Falles eingetragen. Ein weiterer Helfer sagte die Sekunden an. Auf diese Weise ließ sich der Verlauf jedes Sprunges einwandfrei rekonstruieren. Nach Abschluss der Disziplin kamen alle Schiedsrichter zusammen, werteten unter der Regie des Oberschiedsrichters für diese Disziplin alle Sprünge aus und ermittelten so die Ergebnisse. Bei Abweichungen, die vor allem bei den gestoppten Zeiten für Beginn und Ende des Komplexes auftraten, wurden Mittelwerte genommen, um den Springer nicht um den Lohn seiner Leistung zu bringen. (5)

Bild 10 – Der Pfeil mit der dazugehörigen Vorrichtung, welcher dem Fallschirmspringer nach Absprung zeigte, welche Figurenkomplex von den Kampfrichtern bestimmt wurde.
Video 2 – Anita Storck beim Figurensprungtraining nach den Bestimmungen von 1962.
(Bild- und Videoquelle: Bild 10 Kridla Vlasti 16′ 1961, Video 2 „Im freien Fall“ DEFA 1962)
VII. Weltmeisterschaft 1964 in Leutkirch/BRD – Drei Figurensprünge aus 2000 m Höhe mit 30 Sekunden Verzögerung. Das für Männer und Frauen einheitliche Programm bestand aus Drehung, Gegendrehung, Rückwärtssalto, Drehung, Gegendrehung und Rückwärtssalto. Ein Bodensignal, für fünt Sekunden sichtbar, informierte über die konkrete Aufgabenstellung. Unmittelbar danach begann das Programm. Es musste spätestens in der 25. Sekunde nach dem Absprung beendet sein.
VIII. Weltmeisterschaft 1966 in Leipzig-Mockau/DDR – wie 1964, wobei die durch die CIP während ihrer Jahrestagung im Januar 1966 in Leipzig vorgeschlagenen und bestätigten Regeländerungen Berücksichtigung fanden: die Reihenfolge der zu absolvierenden Komplexe wurde vor dem Wettkampf festgelegt bzw. ausgelost, die Wertung begann mit der ersten Bewegung des Sportlers in Richtung der ersten Drehung. Sie endete, wenn der Körper nach dem letzten Salto die Horizontallage erreicht hat.
Dieses Programm war noch über das Ende der DDR verbindlich. Geändert hatten sich lediglich Methoden und Kriterien seiner Bewertung.
Beim Betrachten der unten aufgeführten Tabelle, die uns Auskunft über die Leistungsentwicklung im Figurenspringen von 1964 bis 1988 gewährt, erkennen wir Zeiträume mit wahren Leistungsschüben, solche mit Plateaubildung und selbst welche mit Rückschritten. Gründe dafür waren meist einschneidende Regeländerungen, Veränderungen im Strafenregister für sporttechnische Mängel bei der Bewegungsausführung sowie die Einführung moderner Meß- und Aufzeichnungsmethoden, die die Leistungsbewertung objektiver gestalteten.
(Bildquelle: Fliegerrevue 2´1989)
Eine Betrachtung der Bewertung der Figurenkomplexe durch die Schiedsrichter
Das Figurenspringen unterzog sich wie das Zielspringen auch einem deutlich sichtbaren Wandel in den Jahren. Mit der Ausführung von übersichtlichen Figurenkomplexen in großer Lage konnte man schnell keinen Blumentopf mehr gewinnen, eine Medaille schon gar nicht, denn mit einer solch großen, gestreckten Lage kann selbst ein besonders gewandter, kraftvoller Fallschirmsportler keine derart schnellen Zeiten erzielen, wie sie Ende der siebziger Jahre zumindest international gang und gäbe waren.
Dieser Leistungsanstieg brachte für die Schiedsrichter einige ernste Probleme mit sich. Im Zielspringen hatten sie mit der elektronischen Nullscheibe ein wertvolles Hilfsmittel zu ihrer Verfügung. Anders dagegen beim Figurenspringen. Zwar boten die Videoaufzeichnung die Möglichkeit, den einen oder anderen Figurenkomplex noch einmal gründlich zu betrachten, doch häuften sich immer mehr unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der sauberen oder unsauberen Ausführung von Figuren. Wenn auch durch das neue Bewertungssystem das Figurenspringen gegenüber dem Zielspringen nicht mehr ganz die Wertigkeit für die Gesamtwertung besaß, wie das bis dahin der Fall war, so machte es sich doch dringend erforderlich, aus der zunehmenden Leistungsdichte der internationalen Spitzenspringer und der komplizierter gewordenen Körperhaltung beim Figurenspringen trainingsmethodische Konsequenzen abzuleiten und die Termini der Wettkampfbestimmungen zu präzisieren. Nur dann ließen sich eine objektive Bewertung und weitestgehend übereinstimmende Auffassungen garantieren.
Das größte Problem beim Figurenspringen dürfte für Sportler, Trainer und Schiedsrichter die einheitliche Auffassung von der sportlichen Technik gewesen sein. Zu ungenau und zu weit waren die Begriffe von Drehung und Rückwärtssalto ausgelegt. Genaugenommen gab es im damaligen Reglement überhaupt keine exakte Definition dafür.
Daraus resultierten Auslegungsfreiheiten und auch Unsicherheiten seitens der Sportler, die ja mit den Schwierigkeiten der sportlichen Technik fertig werden mussten, aber auch seitens der Schiedsrichter, die schließlich das, was sie von den Sportlern geboten bekamen, bewerten sollten. Sie alle fragten sich, wie denn nun eigentlich die geforderten Drehungen und Salti auszusehen hatten. Bis zu welchen Extremwerten galten sie tatsächlich als Drehungen und Salti bzw. von welchem Zeitpunkt an zogen sie Strafen nach sich?
Eine Drehung im Figurenspringen ist eine horizontale Bewegung (parallel zur Erdoberfläche) um die Hochachse, das heißt, eine Drehung erfolgt immer um eine senkrechte Achse. Bei der Figurensprungdrehung stimmt die Drehachse mit der Fallrichtung überein. Und dies sollte der Maßstab sein. Im damaligen Reglement waren Abweichungen aus der Horizontallage um 45 Grad nach oben (Standlage) und unten (Kopflage) erlaubt. Abweichungen von mehr als 45 Grad bis zu 90 Grad also echte Stand- und Sturzpositionen – wurden mit einer Strafsekunde geahndet. Eine extreme Standlagendrehung ist aber im Verhältnis zum Koordinatensystem (Horizont und Fallrichtung) bereits eine Drehung um die Körperlängsachse und somit eine stehende Rolle. Aus dem Bewertungssystem sollte jetzt das Symbol “Z“ für „keine Figur“ bzw. “AM“ für zusätzliche Figur“ zur Anwendung kommen. Aber dies war eben noch nicht praktiziert worden, sondern, wie schon gesagt, es wurde lediglich eine Strafsekunde dafür verhängt. Denken wir hier nur einmal an das Geräteturnen oder Wasserspringen. Schon für ganz geringe Abweichungen von der gewünschten Körperhaltung und für kleinste Mängel in der Ausführung gab es erhebliche Punktabzüge.
Ähnlich wie bei den Drehungen sah es auch beim Salto aus. Der Salto rückwärts ist im sporttechnischen Sinne eine vertikale Drehung um die Breitenachse. Auch bei diesem Element waren Neigungen der Breitenachse (senkrecht zur Bewegungsebene) bis zu 45 Grad erlaubt. Betrugen sie mehr als 45 Grad (bis zu 90 Grad), so war das beinahe schon eine Seitenlage und man konnte in solch einem Fall bereits von einer Drehbewegung in der horizontalen Ebene sprechen. Auf dem Bewertungsprotokoll der Schiedsrichter konnte für eine derart “schiefe“ Figur völlig zu Recht stehen: keine Figur bzw. zusätzliche Figur.
Noch stärker lassen sich die Übergänge aus den Drehungen in den Salto bzw. aus dem Salto in die Drehung variieren, die vorgeschriebenen Wechsel also in den Bewegungsebenen horizontal – vertikal – horizontal.
All diese Beispiele verdeutlichen noch einmal, wie wichtig es war, die Figurenkomplexe exakt zu definieren und sie damit zugleich als Technikmodell klar zu umreißen. Das sollte für den Sportlern wie auch den Schiedsrichtern große Vorteile bringen. Denn je exakter das geforderte Programm beschrieben, die Freiheitsgrade eingeschränkt und das Strafmaß festgelegt wurde, desto zielgerichteter konnten die Fallschirmspringer trainieren und desto genauer und objektiver konnten die Schiedsrichter die dargebotenen Komplexe beurteilen und bewerten. Professionalität steht für die Schiedsrichter an oberster Stelle, denn immerhin stehen sie ja vor der undankbaren Aufgabe, durch eine einmalige Eindrucksanalyse eines nur Sekunden dauernden sportlichen Bewegungsablaufes die jahrelangen Mühen des Sportlers zu belohnen oder eventuell zu verderben. Eine mögliche Mißdeutung benachteiligte in jedem Fall den betreffenden Springer und begünstigte vielleicht einen anderen. Gerade aber der Sportler war es doch, der regelmäßig und mit großem persönlichem Aufwand Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr um eine Qualitätsverbesserung in seinen Leistungen bemüht war. (7)
Bild 12 – Schiedsrichter bei der „Arbeit“. Sie hatten wohl mit die schwerste Aufgabe, gerade in den Anfangsjahren.
(Bildquelle: Fliegerjahrbuch der DDR 1964)
Bei internationalen Meisterschaften wurden Figurensprünge durch sieben Schiedsrichter und einen Reserveschiedsrichter aus jeweils verschiedenen Ländern und bei nationalen Meisterschaften sowie bei nationalen und internationalen Wettkämpfen durch mindestens fünf Schiedsrichter und einen Reserveschiedsrichter bewertet. Die Wertung des Reserveschiedsrichters wurden nur berücksichtigt, wenn einer oder mehrere der offiziellen Schiedsrichter im Protokoll NO (nicht beobachtet) oder NT (keine Zeitnahme) angegeben hatten. Bei internationalen Wettbewerben wurde ein offizieller Schiedsrichter automatisch zum Reserveschiedsrichter, wenn ein Sportler seines Landes zu bewerten war.
Bei einer Bewertung von 7 + 1 Schiedsrichtern mussten mindestens fünf von ihnen und bei der Bewertung mit 5+1 mindestens vier Schiedsrichter den Figurensprung bewertet haben. Sollte das nicht der Fall sein, so musste der Figurensprung- ausgenommen das Verschulden lag bei dem Wettkämpfer – wiederholt werden. Eine Strafe wurde gegeben, wenn mindestens vier Schiedsrichter (bei 7+1) bzw. mindestens 3 (bei 5+1) den selben Fehler bei einer Figur festgestellt haben.
Die Höhe der Strafe für die Figur wurde ermittelt, indem die jeweils höchsten und niedrigsten Strafbewertungen gestrichen wurden, so dass nur noch eine bzw. zwei Strafbewertungen übrig blieben. Sollten zwei ungleiche Strafbewertungen übrig bleiben, wurde ihr Mittelwert errechnet. War das nicht mehr möglich, so wurde dem Sportler der geringere Wert als Strafe angerechnet.
Die Zeit für den Figurenkomplex ergab sich aus den drei mittleren Zeiten, indem daraus die Durchschnittszeit auf zwei Stellen nach dem Komma errechnet wurde. Es durfte dabei nicht auf- oder abgerundet werden. Strafen und mittlere Zeiten wurden nach folgendem Modus ermittelt:

(Bildquelle: Mitteilungsblatt des Aeroklubs der DDR 3´1980)
Die Gesamtzeit für einen Figurensprung bestand aus der gestoppten und daraus berechneten Durchschnittszeit plus der ermittelten Strafzeit.
Erst nachdem das Endergebnis errechnet wurde, durfte der Name des Wettkämpfers auf das Wertungsprotokoll geschrieben werden. Bei internationalen Wettkämpfen wurde jedoch die Nationalität des Wettkämpfers zuvor festgestellt, um den Schiedsrichter dieses Landes aus der offiziellen Bewertung ausschließen zu können.
Mindestens ein Schiedsrichter überprüfte anschließend die Arbeitsergebnisse der Auswertungsgruppe. Der Wettkämpfer mit der geringsten Gesamtzeit aus allen Wettkampf-Figurensprüngen wurde der Sieger.

(Bildquelle: Mitteilungsblatt des Aeroklubs der DDR 3´1980)
Der Beginn der ersten und dritten Drehung des Komplexes aus der Längsachse in Richtung der geforderten Drehung stellte eine unvollständige Drehung dar. Wenn diese Drehung am Ende erneut unvollständig war, erhielt der Wettkämpfer dafür eine zweite Strafe.
Internationale Zeichen:
NT keine Zeitnahme; L= Linksdrehung, NO nicht beobachtet, R = Rechtsdrehung, TV Forderung nach Videovorführung, S Salto rückwärts.
Hinter den Zeichen ->, D, -, + wurden die vom Schiedsrichter gesehenen Fehler in Gradzahlen angegeben. Zum Beispiel: -30 für eine Drehung 35° zur kurz.
Die Zeichen AM und Z sowie TV, NT und NO wurden bei Erfordernis durch Einkreisen gekennzeichnet.
Eine falsche Serie (Komplex) oder eine falsche Figur (Einzelelement) wurden zusätzlich zum Einkreisen des Zeichens AM durch die Zeichen L, R oder S gekennzeichnet.
Bei dem Zeichen -100 konnte auch das Zeichen Z oder aber beide Zeichen gegeben werden, wenn das Manöver nicht mehr als Drehung anerkannt wurde.
Bei den Zeichen +300 und S 100 konnte auch das Zeichen AM bzw. konnten beide Zeichen gegeben werden, wenn das Manöver als zusätzliche Drehung bzw. nicht mehr als Salto anerkannt wurde. Auch für das Zeichen D 50 konnte das Zeichen AM gegeben werden, sollte die Gradabweichung so groß gewesen sein, dass das Manöver nicht mehr eindeutig als die vorgeschriebene Figur zu erkennen war. (8)

Bild 15 – Muster eines Bewertungsprotokoll.
Bild 16 – Internationale Zeichen und Strafzeiten für Figurensprünge, Stand 1980.
(Bildquellen: Mitteilungsblatt des Aeroklubs der DDR 3´1980)
In den Folgejahren hat die Internationale Fallschirmsportkommission der FAI einige wesentliche Veränderungen bezüglich des Code Sportif beschlossen, die dann später in Kraft treten sollten. Folgende Veränderungen beschloss die Kommission für die Bewertung von Figurensprüngen:
Bild 17/18 – Internationale Zeichen und Strafzeiten für Figurensprünge, Stand 1981.
Bild 19 – Internationale Zeichen und Strafzeiten für Figurensprünge, Stand 1984.
Bild 20/21 – links die Kameras und rechts die Steuerzentrale mit den Monitors für die Auswertung der Schiedsrichter bei der WM 1982 in Lucenec (CSSR).
(Bildquellen: Bild 17/18 Fliegerrevue 11´1981, Bild 9 Fliegerrevue 8´1984, Bild 20/21 Fliegerrevue 11´1982)
Code sportif 1988
Das Vorrundenprogramm für das Figurenspringen bestand aus drei Durchgängen (Minimum 2). Vor Wettkampfbeginn wurden die Reihenfolge der Figurenkomplexe sowie der Komplex für den Trainingssprung ausgelost. In die Endrunde oder Finalrunde (4. Durchgang) gelangen die nach der Vorrunde führenden zehn Frauen und 20 Männer. Des Weiteren beschloss die CIP, die Startreihenfolge mannschaftsweise auszulosen und mannschaftsweise zu springen.
Wegen spezieller nationaler Sicherheitsbestimmungen in Schweden, dem damaligen WM- Ausrichter, wurde die Absprunghöhe von 2000 m auf 2200 m erhöht. Die Arbeitszeit blieb bei 30 Sekunden. Die minimale Absprunghöhe mit 25 s Arbeitszeit betrug 2000 m. Offensichtlich im Interesse eines zeitlich festgelegten Finales zugunsten der Fernsehzuschauer blieb es der Jury vorbehalten, in Abstimmung mit dem Wettkampfleiter und dem Chefschiedsrichter den dritten Durchgang zu streichen und das Finale nach zwei Durchgängen zu starten.
Die größten Veränderungen hatte das Bewertungssystem des Figurenspringens erfahren. Es umfasste im Unterschied zur bisherigen Praxis nur noch drei Bewertungskategorien:
1.) Korrekte Manöver:
Sportler, die ihre Figurenelemente innerhalb der vorgegebenen Toleranzen (siehe folgende Abbildung) absolvierten, blieben trotz geringer Ungenauigkeiten in der Ausführung straffrei.
2.) Unkorrekte Manöver:
Abweichungen, die über die festgeschriebenen Toleranzbereiche hinausgingen, wurden mit jeweils 0,75 Strafsekunden geahndet. Die Besonderheit dabei – jedes Element durfte nur einmal bestraft werden, unabhängig davon, ob der Sportler dabei mehrere Fehler machte (zum Beispiel Salto verkantet und zugleich außerhalb der Richtung beendet). Diese Praxis setzte voraus, dass die Mehrheit der fünf Schiedsrichter – sie bewerteten in gleicher Zusammensetzung übrigens den gesamten Durchgang – denselben Fehler im Protokoll vermerkt hatten. Entschieden sich zum Beispiel zwei von ihnen für S-Strafen, zwei für D-Strafen und einer für „korrekt“, so ging der Sportler straffrei aus.
3.) Unkorrekter Komplex:‘
In dieser Kategorie wurden jene „Vergehen“ erfasst, die noch über die Gradzahlen der zweiten Kategorie (sie sind ebenfalls aus der folgenden Abbildung ersichtlich) hinausreichten. Für derart grobe Fehler erhielt der Sportler eine Wertung von 16 Sekunden. Er wurde damit praktisch disqualifiziert.
Mit dieser Art der Leistungsbewertung gewann zugleich die Bewegungsschnelligkeit bei weitgehend sauberer Ausführung der Figuren an Bedeutung. Die Schiedsrichter starteten ihre Uhren mit Beginn des ersten Manövers, gleich, ob es das geforderte war oder nicht. Sie stoppten ihre Uhren in jenem Moment, da der Wettkämpfer nach dem abschließenden Salto mit seinem Körper die Horizontale passierte; unabhängig von Richtungsfehlern. Die höchsten und niedrigsten Zeitnahmen wurden gestrichen; als offizielle Bewertung galt der verbleibende mittlere Wert.
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die Bewertung des Figurenspringens wurde dank dieser Festlegungen eindeutiger und damit übersichtlicher. Das erhöhte Strafmaß von 0,75 Sekunden erforderte mehr denn je technische Perfektion bei der Ausführung der Figurenkomplexe, ließen doch die Toleranzbereiche lediglich einen geringen Spielraum zu. Auch an die Schiedsrichter sind höhere Anforderungen gestellt worden, denn die Grenzen zwischen „korrektem Manöver“, „unkorrektem Manöver“ und schließlich „unkorrektem Komplex“ waren eng. Es kam also auch für sie darauf an, sich rechtzeitig und umfassend mit dem neuen Bewertungssystem vertraut zu machen. (9)
Bild 22 – Internationale Zeichen und Strafzeiten für Figurensprünge, Stand 1988.
Bild 23 – Zwei Videokameras bei der WM 1988 in Schweden für die Aufzeichnung des Figurenspringens.
Die Protokolle der Kampfrichter gingen in einen Computer, der dann die jeweiligen Ergebnisse ermittelte.
Per Telefax wurden die Werte danach in das Informationszentrum und in ein Pressebüro übermittelt.
Bild 24 – Der Monitor für die Übertragung der Figurensprünge informierte zugleich über die Anflugrichtung,
die Drift des Sportlers und die aktuelle Uhrzeit.
(Bildquellen: Bild 22 Fliegerrevue 6´1988, Bild 23/24 Fliegerrevue 11´1988)
Code sportif 1990
Intensive Diskussionen während der 19. Weltmeisterschaft im Fallschirmsport in Nyköping/ Schweden zu Inhalt und Reglement des Ziel- und Figurensprungs wiesen bereits darauf hin, dass schon sehr bald mit erneuten Veränderungen diesbezüglich zu rechnen sein würde. Ende Januar 1989 beschäftigte sich die Internationale Fallschirmsportkommission CIP im Rahmen ihres 40. Jahreskongresses in Peking mit diesem Thema und beschloss zahlreiche Präzisierungen der Wettkampfprogramme und -regeln, fasste einzelne Paragrafen bzw. Unterpunkte des Code Sportif exakter, formulierte andere zum Teil allgemeiner (um für künftige Veränderungen mehr Spielraum zu besitzen). Anliegen des Ganzen war die Objektivierung der sportlichen Leistungen über ein verbessertes Bewertungssystem und damit die Gewährleistung fairer Wettkämpfe.
Erwartungsgemäß erfuhr das Figurensprung-Reglement die auffälligsten Veränderungen. Das neue System beruhte auf einem Vorschlag aus der ČSSR und berücksichtigte die in Schweden unterbreiteten Hinweise. Dieses System wurde bereits einige Jahre zuvor erarbeitet, doch die Einführung des Punktsystems nach der Weltmeisterschaft 1986 lenkte die Aufmerksamkeit der Fallschirm-„Klassiker“ zunächst in eine andere Richtung. Dank der Aktivitäten der CIP-Vertreter in Nyköping rückte der erarbeitete Bewertungsmodus wieder in das Blickfeld der Verantwortlichen und übereinstimmend sprachen sich die meisten von ihnen für dieses differenzierte Bewertungssystem aus. Dessen größter Vorteil: Strafmaße in kleinen Schritten. Die scharfe Grenze zwischen der bisherigen sauberen oder zu bestrafenden Figurenausführung und das damit verbundene „Alles oder Nichts“, welches Sportler und Schiedsrichter gleichermaßen verunsicherte, gehörte nun glücklicherweise der Vergangenheit an. Im Einzelnen sah das System folgendermaßen aus:
- In Richtung begonnene bzw. nicht zu Ende gedrehte Drehungen wurden prinzipiell bestraft, und zwar in 5-Grad-Schritten:
1 bis 5° = 0,10 Strafsekunden,
6 bis 10° = 0,20 Strafsekunden,
86 bis 90° = 1,80 Strafsekunden;
größer als 90° Z“ (falsches Element, das die Höchststrafe von 16 Sekunden zur Folge hatte).
- Überdrehungen blieben bis zu 180 Grad straffrei, da sie für den Sportler ohnehin Zeitverlust bedeutete. Drehte der Springer über diese 180 Grad hinaus, zählte der Fehler als zusätzliche Figur und zog wieder „Z“ nach sich.
- Bei Verkantungen, Achsenveränderungen, Schräglage (im Reglement mit „D“ gekennzeichnet) ging der Sportler bis zu 30 Grad straffrei aus. Darüber hinaus erhielt er für Abweichungen von:
31 bis 40° = 0,40 Strafsekunden,
für 41 bis 50° = 0,50 Strafsekunden,
für 51 bis 60° = 0,60 Strafsekunden,
größere Fehler (ab 61°) zählen als „Z“.
- Wurde der letzte Salto außerhalb der Richtung (Abweichung von der vertikalen Achse = „S“) beendet, so blieben die ersten 30 Grad wiederum straffrei. Danach erfolgte die Bewertung adäquat der „D“-Strafe:
31 bis 40° = 0,40 Strafsekunden,
über 60 Grad „Z“.
- Die „I“-Strafe kennzeichnete das Beenden des letzten Saltos vor Erreichen des horizontalen Niveaus und zog das gleiche Strafmaß nach sich wie die „D“- und „S“-Strafen.
- Und ebenso verhielt es sich auch mit der sogenannten „A“-Bewertung, die das Beenden des letzten Saltos erst nach dem Passieren des horizontalen Niveaus zum Inhalt hatte.
Die folgende Zeichnung veranschaulicht nochmals die unterschiedlichen Strafmaße und -schritte im Figurenspringen.
Die Komplexe selbst hatten sich nicht verändert. Ihre Definition im Sportkodex berücksichtigte jedoch die Möglichkeit einer Regeländerung. So hieß es: „Jeder Durchgang muss aus einer Serie von individuellen Manövern im freien Fall bestehen, die aus einem in den Wettkampfregeln beschriebenen Pool gelost worden sind.“ Die bisher übliche strenge Abfolge von jeweils zwei Drehungen, einem Salto, zwei Drehungen und nochmals einem Salto hätte sich perspektivisch unter Umständen also ändern können, bildete aber zum damaligen Zeitpunkt noch kein ernstzunehmendes Thema.
Die Figurensprünge waren aus 2000 m Höhe durchzuführen, wobei der Anflug mit oder gegen den Wind erfolgen konnte. Innerhalb eines Durchgangs durfte die Richtung nicht gewechselt werden. Völlig neu war die Festlegungen zum Driftwinkel und zur Drift selbst. Als Drift wird ein seitliches Abweichen des Springers von seiner vertikalen Anflugrichtung bezeichnet. Sie galt vom Moment des Beginns der Figur. Überstieg der Driftwinkel zehn Grad, so erhielt der Sportler einen Wiederholungssprung.
Des Weiteren wurde beschlossen, dass die Auslosung für das Figurenspringen, wie schon bei der Weltmeisterschaft 1988, mannschaftsweise zu erfolgen hatte. Mindestens fünf Schiedsrichter bewerteten die Sprünge. Sollten weniger als fünf Wertungen vorliegen, musste der Sportler einen Wiederholungssprung ausführen. Festgelegt wurde auch, dass für alle Mannschaften und speziell für die Trainer im Wettkampf Monitore zur Beobachtung der Sprünge zur Verfügung gestellt werden mussten. Diese Neuerungen waren dann bis zur Weltmeisterschaft 1990 verbindlich. (10)
Bild 25 – Internationale Zeichen und Strafzeiten für Figurensprünge, Stand 1990.
(Bildquelle: Fliegerrevue 7´1989)
Literaturquellen:
(1) Dr. Dieter Strüber für die Fliegerrevue 2/1989
(2) Zeitschrift „Kridla Vlasti” 16´1956
(3) AEROSPORT 6′ 1960
(4) Fallschirmsport-Forum mit Hauptschiedsrichter Dieter Henze aus der AEROSPORT 2′ 1963
(5) Fallschirmsport-Forum mit Hauptschiedsrichter Dieter Henze aus der AEROSPORT 3′ 1963
(6) „SALTO AUF BESTELLUNG” – eine Übersetzung aus der Zeitschrift “Kridla Vlasti”, abgedruckt in der Zeitschrift “Flügel der Heimat” 2′ 1959.
(7) Dieter Strüber für die Zietschrift “Fliegerrevue” 4′ 1978
(8) Mitteilungsblatt des Aeroklubs der DDR 3´1980
(9) Fliegerrevue 6´1988
(10) Dieter Strüber und Gudrun Pistiak für die Zeitschrift Fliegerrevue 7´1989