6. Weltmeisterschaft im eigenen Land (1965-66)

Schon vor der Weltmeisterschaft in Leutkirch hatte sich gezeigt, dass trotz aller Zielsprungerfolge eine Weiterentwicklung des RL-3 dringend notwendig war. Zusammen mit den Seifhennersdorfer Ingenieuren war es besonders Heinz Schaal, unseren erfahrensten Zielspringer, der mit neuen Ideen für Bewegung sorgte. Durch zwei zusätzliche, etwas ausgebauchte Steuerschlitze, verbesserte sich der Vortrieb und die Drehgeschwindigkeit, außerdem war der neuer RL-3/2 pendelsicherer. Eine wirkliche Bremsfähigkeit im Landeanflug blieb noch ungelöst. Fast die gleichen Schritte hatten die sowjetischen Konstrukteure mit dem neuen T-4, Serie 4m vollzogen, wobei dieser etwas bremsfähiger war.

Der Sportfallschirm aus Seifhennersdorf, der RL-3/2.
Unverkennbar der Einfluss der sowjetische T4-Reihe, wie auf dem Bild rechts der T4 Serie 4m, welcher ebenfalls in Leutkirch gesprungen wurde.

(Bildquellen: Bild 1 & 3 unbekannt, Bild 2 Rudi Daum)

Zur Jahrestagung der CIP in Paris hatte das Travel – Board – Büro in Westberlin erneut die Visa für die DDR-Vertreter verweigert. In Vorbereitung der bevorstehenden Weltmeisterschaft in Leipzig eine recht schwierige Situation, das auch zu Protesten mehrerer Ländervertreter führte. Bei den Wahlen der Kommission erhielt Vincent Balesi (Frankreich) als Präsident und Iwan Lissow (UdSSR) als Vize die Bestätigung. Der bisherige schwer erkrankte Präsident, Jacques Istel (USA), erhielt die Ehrenpräsidentschaft der CIP. Während der Tagung gab es hitzige Diskussionen um das zukünftige Reglement der WM. Die Antragstellung der DDR, die Jahrestagung der CIP im Frühjahr 1966 in Leipzig abzuhalten, gleichzeitig dort das WM-Gelände zu besichtigen und das Reglement nach Vorschlägen der DDR zu verhandeln, erhielt die Zustimmung. Besonders die Vertreter der UdSSR hatten im Vorfeld dafür geworben und den Antrag stellvertretend unterbreitet. Die CIP nahm erstmals die neue Sportdisziplin „Para – Ski“ in ihr internationales Programm auf. Österreich erhielt den Zuschlag als erste Veranstalter und wird am aus Zielspringen und Riesenslalom vorlegen.

Und wieder ging es 1965 nach Jugoslawien zum 4. Adria-Cup, 16 Länder hatten sich in die Starterliste eingeschrieben. Das Bild der Küstenstadt Portoroz hat er sich inzwischen wesentlich verändert. Viele neue Hotels, wo einst die Fischerhütten standen, eine attraktive Strandpromenade und Neugestaltungen auf dem Flugplatz. Auch das Sprungprogramm war nach den touristischen Ansprüchen verändert worden Staffelsprünge, eine Art Gruppensprünge und Sprünge mit Wasserlandung hatten keine Beziehung zu den klassischen Disziplinen. Die DDR-Mannschaft machte so recht und schlecht das Treiben mit. Drei Medaillen bei den Frauen und ein 2. Platz von Barbara Haufe (siehe Bild unten rechts) im Wasserspringen waren die Ausbeute. Der Adrian-Cup war keine echte Vorbereitung auf die nächste Weltmeisterschaft. Erstmalig erfolgte die An- und Abreise mit einem eigenen Verkehrsflugzeug IL-14. Die NVA-Regierungsstaffel nutzte unter der Interflug-Kennung, den Transport der DDR-Mannschaft als Trainingsflug in das bisher unbekannte Anflugverfahren zum Flughafen Belgrad. Beim Weiterflug nach Ljubljana mussten die Sprungfallschirm der Mannschaft, wegen des kleinen Frachtraums der DC-3, in der Passagierkabine gestapelt werden. Die übrigen Reisenden staunten nicht schlecht, als sie vom Inhalt der Fracht erfuhren.

(Bildquellen: Bild 1 unbekannt, Bild 2 AEROSPORT 09´1965)

Sicher inspiriert durch das Wasserspringen in Jugoslawien hatte Manfred Schmidt, als Fallschirmchef in Magdeburg, den Elbe-Pokal, mit Landung im Barleber-See ins Leben gerufen. Als Sieger konnten Bärbel Schmidel aus Karl-Marx-Stadt und Helmut Schulz aus Leipzig aus dem Wasser auftauchen.

Zu einer echten Leistungssprobe gestaltete sich der Internationale Wettkampf in Leipzig. Die Bedingungen des zukünftigen WM-Geländes kennenzulernen war ein vordringliches Anliegen der Auswahlkader aus der UdSSR, CSSR, Polen, Ungarn, Bulgarien, Jugoslawien und zwei Mannschaften aus der DDR. Es ging richtig zur Sache und besonders im Gruppenspringen zeigten sich die DDR-Springer mit dem 1. Platz bei den Männern und den 2. Rang bei den Frauen, stark verbessert. Walter Greschner erreichte den 3. Platz im Einzelzielspringen und Brigitte Grellmann mit Gold sowie Barbara Haufe mit Silber, trumpften im Figurenspringen auf. Wie nie zuvor beherrschte Jewgeni Tkatschenko das Figurenspringen der Männer, mit unglaublichen 8,2 sek stellte er einen neuen Weltrekord auf. Die DDR-Springer nutzten den RL-3/2 und sprangen sich damit langsam ein. Die CSSR-Mannschaft hatte ihren neuen PTCH-5 im Gepäck und versuchte sich mit einer Nachbaukonstruktion des amerikanischen Para-Commander. Als Neuheit zeigten sie einen Hilfsschirm ohne Fangleinen, ein guter Schritt zum Eröffnungssicherheit der Sprungfallschirme. Die UdSSR experimentierte mit ihrem T-4, es gab wohl mehrere Probleme.

Im September stand die Austragung der 2. Deutschen Meisterschaft im Programm und die Organisatoren in Karl-Marx-Stadt waren in allen Bereichen gut vorbereitet, den 77 Sportlern und 24 Sportlerinnen einen fairen Leistungsvergleich zu ermöglichen. Beim Zielspringen aus 1000m Höhe siegte Veronika Werk aus Halle und Franz Täubrecht vom SV Dynamo. Das 800m-Zielspringen entschied Petra Jeruzel und Hans-Peter Schmelzer (Hansi), beide Springer vom SV Dynamo, für sich. Im Figurenspringen war Birgit Hausdorf aus Dresden und wiederum Franz Täubrecht auf den ersten Plätzen. Und schließlich im Gruppenspringen gingen die Titel bei den Frauen nach Dresden und bei den Männern zum SC Dynamo. In der Gesamtwertung war die Reihenfolge bei den Frauen – Hausdorf, Lange und Reimer und bei den Männern – Schmelzer, Greschner und Täubrecht.

Zum Jahresende gelangte der neue RL-3/4 in die breitere Erprobung, Dieter Strüber und Hans Burkert waren bei dieser Weiterentwicklung besonders aktiv.

links: Die begehrte Trophäe bei der 2. Deutschen Meisterschaft 1965 in Karl-Marx-Stadt.
Nach Ende des Wettkampfes konnten 10 Männer und nur eine Frau dieses Andenken mit nach Hause nehmen.

rechts: Der „Neue“ aus Seifhennersdorf, der RL-3/4. Die Sinkgeschwindigkeit ist höher als bei seinem Vorgänger, aber nun kann man ihn bremsen.

(Bildquellen: Bild 1 Hans Wolf (+), Bild 2 Rudi Daum)

Die DDR-Fallschirmsportkommission konnte in ihrer Jahresbilanz auf inzwischen 78 Gold -, 140 Silber – und 366 Bronze-Leistungsabzeichen verweisen. Die Gesamtsprungzahl hatte die 100000er Grenze überschritten. Neben erneuten Forderungen zur Erhöhung der Sicherheit des Sprungbetriebes, unterbreitete die Kommission Vorschläge zu Erarbeitung neuen Lehrmaterials. Gleich danach legte Dieter Strüber sein Lehrbuch „Grundlagen des Fallschirmleistungssports“ vor und erwies damit den Trainern und Sportlern in den Bezirken eine gute Hilfe.

Zur Vorbereitung und Durchführung der 8. Weltmeisterschaft in Leipzig konstituierte sich das dazu erforderliche Organisationskomitee. Heinz Schubert, als Präsident des Aeroklubs der DDR, übernahmen den Vorsitz, Hans-Joachim Hartwig wird Leiter der Organisation, Horst Brändel zukünftiger Wettkampfleiter, Dieter Strüber erhielt die Berufung als Trainer der Frauenmannschaft und Günter Schmidt als Trainer der Männer. Der Aeroclub der CSSR unterstützte den Vorschlag der DDR, Cibor Cajpa, erneut als Hauptschiedsrichter vorzuschlagen. Das Hotel „Deutschland“ in Leipzig wird für die Unterbringung und Versorgung aller Weltmeisterschaftsteilnehmer ausgewählt. Der Minister für Verkehrswesen, Erwin Kramer, übernimmt die Schirmherrschaft der WM.

Der Aeroklub der DDR hatte für besonders verdienstvolle Luftsportler die „Ehrennadel des Aeroklubs der DDR“ gestiftet. Als erste Fallschirmsportlerin erhielt Birgit Hausdorf diese Auszeichnung (siehe Bild unten).

(Bildquelle: Hans-Günter Seibt)
Ende Januar 1966 tagte im Hotel „Stadt Leipzig“ die FAI-Fallschirmsportkommission (CIP) unter Vorsitz ihres Präsidenten Vincent Balesi (Frankreich). Außergewöhnlich für eine Kommissionstagung war der Präsident der FAI, Wladimir Kokkinaki, der berühmte Testpilot der UdSSR, und der Generaldirektor der FAI, Charles Hennecard, anwesend. Die DDR war durch Heinz Schubert, Horst Brändel und Dieter Strüber vertreten. Die Vertreter der USA und zwei unabhängigen Abgeordneten aus Frankreich verwiesen auf die Haltung ihrer Regierungen, den Mannschaften ihre Länder die Teilnahme nicht zu erlauben. Sie forderten lautstark die WM in ein anderes Land zu verlegen oder gar abzusagen. Die Offiziellen der FAI stellten sich geschlossen dagegen und begründeten das mit den Regeln der FAI und den mehrheitlich gefassten Beschlüssen der CIP. Überraschend die Mitteilung der kanadischen Vertretung an der Weltmeisterschaft teilnehmen zu wollen. Die Kommission bestätigte das von DDR-Seite vorgeschlagene WM-Reglement und Bewertungssystem. Als Wettkampfdisziplinen werden dass Gruppenspringen auf ein Ziel, inmitten eines mit Sand befüllten Zielkreises von 50m ausgeführt. Als Nullsprung gilt eine Landeberührung auf einer Scheibe von 15 cm Durchmesser. Ein früherer Vorschlag, vier verschiedene Zielpunkte im Landekreis anzuordnen, wurde wegen zu hoher Kollisionsgefahr verworfen. Als zweite Disziplin wird das Einzelzielspringen in das Programm aufgenommen. Das ursprünglich vorgesehene Ausscheidungsspringen erhielt wegen des hohen Aufwandes keine Unterstützung. Die Kommission entschied sich außerdem, die zweite Zielsprungdisziplin, ebenfalls wegen der zu hohen Zeitbelastung nicht mehr auszutragen. Die dritte Disziplin bildet das Figurenspringen, wobei wie bereits in Leutkirch, auf ein Bodensignal zur Anzeige der Komplexfolge verzichtet wird. Die Sieger in den Gesamtwertungen erhalten den Titel „Absolute Weltmeister“ und in den drei Disziplinen den Titel „Weltmeister‘, dazu die Abstufung in Gold-, in Silber – und der Bronzemedaille. Das für die WM 1966 beschlossene Reglement hatte, bis auf wenige Änderungen, einen Bestand für viele Jahre, es war der Ausdruck für eine ehrenvolle Bezeichnung „Klassischer Fallschirmsport“. Abschluss der WM Thematik die Kommission Albert Dillens (Belgien) als Hauptschiedsrichter für Leipzig. Bei den Wahlen erhielt Vincent Balesi als Präsident und Iwan Lissow als Vize das Vertrauen der Delegierten. Außerhalb der Tagesordnung informierte der Generaldirektor der FAI, Charles Hennecart, über einen Beschluss des olympischen Komitees (IOC), dass nach jahrelangen Bemühungen der Luftsport als olympische Sport anerkannt wird. Sofort begannen Gedankenspiele zur Integration des Fallschirmsport in das Programm der Olympischen Spiele.

So präsentierte der AEROKLUB der DDR den Mitgliedern der FAI das Wettkampfgelände.
Dieses Modell zeigt den Zielkreis von 25m Radius und die Zelte der Teilnehmer auf der rechten Seite.

(Bildquellen: Bild 1 & 3 Gerd Wetteborn, Bild 2 AEROSPORT 06´1966)

Jetzt wurde aber erst einmal wieder geheiratet. Die Ringe tauschten Maria Lange und Dietmar Weber, Elli Reimer und Werner Winzer, Erika Cebulla und Walter Greschner, Petra Jeruzel und Günter Gerhardt, Gisela Dietze und Günter Storch. Etwas später wurde Anita Storck zu Richter-Storck, Barbara Knorr zu Karkoschka und Barbara Haufe zu Bürger. Bei so vielen Fallschirmhochzeiten gab es natürlich viel zu feiern. Betrüblich für Dieter Strüber, das Anita Stork, Maria Lange und Elli Reimer für die WM-Vorbereitung nicht mehr zu Verfügung standen.

Jung, erfolgreich und frisch liiert, das sind die neuen Gesichter der DDR-Nationalmannschaft:
links Barbara Karkoschka, in der Mitte Petra und Günter Gerhardt, rechts Gisela Storch

(Bildquellen: Bild 1 Rudi Daum, Bild 2-3 AEROSPORT)

Erstmals versammelte sich der DDR-Auswahlkader zu einem Wintertrainingslager im Erzgebirge, um frühzeitig Kondition aufzubauen. Dann folgten in dichter Folge Trainingslager, um besonders im stark verjüngten Frauenkader den Leistungsaufbau zu fördern. Die Teilnahme an den Frühjahrswettkämpfen in Gera und Karl-Marx-Stadt sowie ein Länderwettkampf in Nitra (CSSR), sollten die Wettkampferfahrung verbessern. Alle DDR-Auswahlkader stiegen auf dem neuen RL-3/5 um, der immer noch aus Naturseide gefertigt war. Sein Vortrieb und die Drehgeschwindigkeit hatten sich etwas gesteigert und in der Zielannäherung konnte sogar eine Bremswirkung erreicht werden. Mit diesem Schirm war wohl das Maximum erreicht, was aus einer Rundkappe rauszuholen war. Die bevorstehende Weltmeisterschaft wird das Urteil fällen.

Das ist der „Neue“ aus Seifhennersdorf – der Sportfallschirm RL-3/5, deutlich besser bremsbar als der RL-3/4
und mit Stabilisierungsbahnen unterhalb des Basisrandes.

(Bildquellen: Bild 1 & 3 Heinz Großer,  Bild 2 „Abenteuer Fallschirmspringen“)

Und dann ging es endlich los. Mit einer fast dreistündigen Eröffnungsveranstaltung, verbunden mit einer spektakulären Flugschau, gaben die Offiziellen der FAI und der Schirmherr den Startschuss für die Wettkämpfe der 8. Weltmeisterschaft. 19 Länder, darunter einige nur mit Einzelteilnehmern, waren der Einladung des Aeroklubs der DDR gefolgt. Mit Mannschaften waren die UdSSR, CSSR, Kanada, Polen, Bulgarien, Ungarn, Australien, Schweiz, Österreich, Finnland, Rumänien, Jugoslawien und Südafrika vertreten. Einzelwettkämpfer kamen aus Brasilien, Neuseeland, Irland und Belgien. Bedauerlich das Fehlen der leistungsstarken Mannschaften aus den USA, Frankreichs, Belgiens, Englands, Schwedens und der Bundesrepublik. Eine harte Entscheidung für die betroffenen Sportler, die sicher ähnlich gefühlt haben wie die DDR-Aktiven 1962.

Links die Herrenmannschaft aus Finnland (von links nach rechts): E. Savolainen (Trainer), A. Takkala, E. Ylinen, R. Valta und H. Toivonen
und  rechts die WM-Teilnehmer aus Ungarn.

(Bildquellen: Bild 1 ©SLK, Bild 2  ©ATa )

Die Mannschaft der DDR war durch Birgit Hausdorf, Veronika Werk, Barbara Karkoschka, Gisela Storch und Petra Gerhardt bei den Frauen und Hans-Peter Schmelzer, Günter Gerhardt, Walter Greschner, Lothar Garus und Heinz Schaal bei den Männern vertreten.

Die Nationalmannschaft der DDR mit den Ersatzspringern / -springerinnen.
vlnr: Walter Greschner, Hans-Peter Schmelzer, Rolf Müller (Ersatz), Veronika Werk, Birgit Hausdorf, Heinz Schaal, Gisela Storch,
Lothar Garus, Barbara Karkoschka, Günter Gerhardt, Ingeborg Kleinjung (Ersatz), Eckhardt Dietrich (Ersatz),
Petra Gerhardt und Franz Täubrecht

(Bildquelle: Rudi Daum)

Da der von der CIP berufene Hauptschiedsrichter aus Belgien nicht konnte oder durfte, folgte die CIP dem ursprünglichen DDR-Vorschlag, Cibor Cejpa (CSSR), die vakante Funktion zu übertragen. Erneut waren der DDR-Einladung der FAI-Präsident Vladimir Kokkinaki, der Vize Hofrat Dr. Geißbacher, der FAI-Generaldirektor Charles Hennecart und der Präsident der CIP Vincent Balesi gefolgt. Für den örtlichen Transport der Ehrengäste hatte der Ministerrat der DDR VIP-Fahrzeuge zur Verfügung gestellt.

Unter große Aufmerksamkeit der Medien, es wurden 223 Journalisten und Bildberichter akkreditiert, begannen die Wettkämpfe zunächst recht zügig und die Organisation hatte alles im Griff. Gleich mit dem Auftakt beim Zielspringen zeigte sich, wer hier Weltmeister werden will, muss eine Serie von Nullsprüngen in die Wertung bringen. Die begehrte 15cm-Nullscheibe war mit dem WM-Logo geprägt und durfte als Trophäe vom erfolgreichen Springer mitgenommen werden, ein schöner Brauch, der sich fortsetzte.

Die Nullscheibe der Weltmeisterschaft – Günter Gerhardt konnte sie dreimal mit nach Hause nehmen, der Österreicher Richard Deutsch* einmal.

(Bildquellen: Bild 1 Fliegerrevue 7´1984, Bild 2 privat, Bild 3 SKYDIVER-Magazin 10´1966)

Sensationell schaffte es Günter Gerhardt, selbst bei komplizierten Windverhältnissen, 3 Nullsprünge zu landen und mit dieser Leistung Weltmeister zu werden. Starke Konkurrenz aus Kanada und der UdSSR, versetzten Walter Greschner auf Platz 8, die anderen DDR-Vertreter landeten im hinteren Feld. Bei den Frauen erreichte Birgit Hausdorf den 6. und Veronika Werk den 7. Rang und als Weltmeisterin bestieg Lidia Jeremina (UdSSR) das Treppchen. Eigentlich sollte das Figurenspringen als zweite Disziplin ausgetragen werden, aber nachdem immer schlechter werdenden Wetter erteilte die Jury dem Wettkampfleiter und Hauptschiedsrichter das Recht, die Sprungreihenfolge den Wetterbedingungen anzupassen. Also ging es mit dem Gruppenspringen weiter und dann schnell wieder Figuren. Die UdSSR-Springer hämmerten ihre Komplexe im sagenhaften Zeiten und mannschaftlicher Dichte herunter, dass die Konkurrenz nur staunen konnte. Wladislaw Krestjannikow glänzte mit 7,4 und 7,6 Sekunden und wurde damit Weltmeister. Ehrenvoll der 6. Platz von Günter Gerhardt und der 7. von Lothar Garus. Bei den Frauen nicht viel anders, Tatjana Woinowa siegte mit 9,1 und 9,2 Sekunden und Barbara Haufe konnte noch den 6. Rang erreichen. Selbst wenn alle Mannschaften an dieser WM teilgenommen hätten, wäre diese Figurensprungleistung wohl nicht zu toppen gewesen.

Dann der geplante Ruhetag mit dem Tagesausflug in das Elbsandsteingebirge und den Stopp in Dresden und Meißen. Die aufkommenden Sorgen des Wettkampfleiters waren auf die strikte Weiterführung der Wettkämpfe gerichtet, aber Kultur musste sein. Bei Wind und Wetter ging es weiter, nur zwei Durchgänge im Gruppenzielspringen waren die ganze Ausbeute. Selbst die Aktion, die Sportler um 4:00 Uhr aus den Betten zu holen, ein logistisches Meisterstück, retteten den dritten Durchgang nicht und mit Zustimmung der CIP-Vertreter ging das Gruppenspringen mit zwei Durchgängen in die Wertung. Die Männer der UdSSR siegten vor Kanada und der CSSR. Bei den Frauen schoben sich die Ungarinnen zwischen die UdSSR und CSSR. die UdSSR-Mannschaft reiste mit neun Weltmeistertiteln nach Moskau, nur der von Günter Gerhardt blieb in der DDR.

Ein Schiedsrichterstreit, welches Bein zuerst den Boden berührt hatte, führte zu scharfen Protesten der CSSR – und der bulgarischen Mannschaftsleiter. Dann noch das Eingreifen des Hauptschiedsrichters zu einer Figurensprungzeit eines CSSR-Springers, zeugte von der Hitze der Wettkämpfe. Der bulgarische Schiedsrichter Emil D., schrie schon immer „Nulla, nulla,“ obwohl sein Springer noch gar nicht den Boden berührt hatte. Die heile Welt hatte im Zielkreis ihre Grenzen, nicht viel anders als auf den heutigen Sportplätzen.

Ein etwas anderes Duell, hier zwischen der UdSSR und Osterreich, sorgte bei schlechtem Wetter für Abwechslung.

(Bildquellen: ©ATa)

Die Mannschaft der UdSSR nutzte ihren neuen Schirm UT-2, eine Rundkappe mit Kunststoffgewebe und offensichtlich guten Druckverhältnissen. Mit dem Para-Commander waren die Kanadier im Zielspringen ganz weit vorne dabei. Abgesehen vom Weltmeistertitel im Einzelziel hatten die DDR-Springer bei den herrschenden Windbedingungen Probleme mit ihren RL-3/5. Der noch jungen Frauenmannschaft fehlt der es offensichtlich an Wettkampferfahrung und Stabilität, zudem kam einfach Pech dazu.

Fallschirm der 8. Weltmeisterschaft:
links der Para-Commander, in der Mitte der sowjetische UT-2 und rechts der tschechische PTCH-6.

(Bildquellen: Bild 1 unbekannt, Bild 2 Ralf Homuth, Bild 3 SKYDIVER-Magazin 10´1966)

Für die Organisation der Meisterschaft hatten sich viele Fallschirmspringer uneigennützig als Funktionshelfer, Helfer und Betreuer zur Verfügung gestellt. Helmut Schulz zum Beispiel, war als Fachberater für Funk und Fernsehen tätig und kommentierte mit dem Fernsehsportreporter Harry Schulz die Eröffnungsveranstaltung. Manfred Schmidt betätigte beim Figurenspringen eine große Stoppuhr (2m-Durchmesser), um den vielen Zuschauern das Geschehen am Himmel etwas näher zu bringen.

Beim Zielspringen wurden die Landeentfernungen an einer Lichttafel mit weithin sichtbaren Ziffern angezeigt und das löst immer wieder Beifall aus, zumal die Zuschauer auf einer eigens aufgestellten Tribüne guten Überblick erhalten hatten.

Der erste Weltrekordspringer der DDR Manfred Schmidt (rechts im Bild) als Mitglied des Organisationsteam,
hier vor der übergroßen Lichttafel für das Zielspringen. Im linken Bild ist die 2m-Uhr zu sehen.

(Bildquellen: „Kampf um Null“)

Über die Weltmeisterschaft drehte die DEFA, unter Regie von Joachim Hadaschik, den Dokumentarfilm „Kampf um Null“ im Kinoformat, der später auch einen internationalen Filmpreis gewann. Für die Aufnahmen im freien Fall hatte die DEFA den sowjetischen Spezialisten Felix Neimark engagiert, der die große Kamera am Helm befestigt hatte und vor der Fallschirmöffnung abnehmen musste. Aus Anlass der WM gab die Deutsche Post drei Sonderbriefmarken und einen Ersttagsbrief heraus, eine wohl einmalige Sache im internationalen Fallschirmsport.

Links einer der vielen Kameraleute aus der Crew von Joachim Hadaschik für den Film „Kampf um Null!“.
Rechts der Ersttagsbrief der Post mit den drei Sonderbriefmarken anlässlich der 8. Weltmeisterschaft.

(Bildquellen: Bild 1 „Kampf um Null“, Bild 2 unbekannt)

Die Spielwarenhersteller brachten Fallschirmpuppen in die Geschäfte und im Gepäck viele Teilnehmer gingen die beliebten Puppen mit auf die Heimreise. Das Sandmännchen war natürlich auch als Fallschirmspringer präsent. Eberhard Cohrs erregte sich über das „Gefitze“ der Fangleinen in einem Sketch. Viele Interviews mit Sportjournalisten, wie Heinz-Florian Oertel, sorgten für Aufmerksamkeit. Mit über 4000 Plakaten, Flugblättern, Werbesendungen im Funk- und Fernsehen, Schaltungen in die Kinos und Schaufenstergestaltung wurde die WM bekannt gemacht. Bei keiner Fallschirmmeisterschaft verfolgten so viele Besucher das Geschehen am Himmel. Das Fallschirmwerk Seifhennersdorf sorgte für einen umfassenden Service, und mancher Springer freute sich über seinen rundum erneuerten Fallschirm.

So ä dämliches Gefitze“, schimpfte Eberhardt Cohrs (Bild links). „Mit den verrückten Langstreckenmakkaronis soll ich nu bis zum 24. Juli fertsch wär´n …“.
Mit Plakaten in der Leipziger Innenstadt wurde fleißig geworben.

(Bildquellen: Bild 1 AEROSPORT 01´1966, Bild 2 SKYDIVER-Magazin 10´1966)

Bei einer Finanzauflistung von knapp 700.000 DDR-Mark, wurde die geplante Ziffer um 50.000 unterschritten. Das war natürlich auch dem Fernbleiben einiger Mannschaften geschuldet. In den Berechnungen tauchten beträchtliche Kostenträger, wie der Personaleinsatz, Flugzeugbetriebskosten, Fahrzeugnutzung und unzählige andere verdeckte Kosten nicht auf. Ein ebenfalls verworrenes Bild bei den Einnahmen. Besonders der Zusammenbruch der Kassierung bei der Eröffnungs- und Abschlussveranstaltung war gravierend. Die Deviseneinnahmen erreichten nicht das Ziel.

Bei allem Lob für die Durchführung der Weltmeisterschaft bleibt die Frage offen, war es für den internationalen Fallschirmsport gut, die WM in Leipzig durchzuziehen? Mit etwas Abstand betrachtet, hatte der DDR – Fallschirmsport an Ansehen gewonnen und in den Gremien der FAI, besonders natürlich in der CIP, den zustehenden Platz eingeräumt. Es wäre allerdings besser gewesen, die WM einige Jahre später auszurichten, da sich mit Helsinki etwas politisches Tauwetter anzeigte. Der Hang und Wille internationales Prestige zu erlangen überwog allerdings alle mahnenden Stimmen. Der vorgesehene Antrag der DDR auf Vollmitgliedschaft in der FAI wurde vorerst vertagt, da Unsicherheiten zum Wahlverhalten einige westliche Länder bestanden.

Die siegreiche Mannschaft der Sowjetunion mit den Weltmeistertiteln im Gruppenzielspringen, im Figurenspringen,
im kombinierten Einzelzielspringen der Damen sowie in der Gesamteinzel- und Gesamtmannschaftswertungen.

(Bildquelle: AEROSPORT 09´1966)